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Jogis Löwen.

Foto: EPA/BERND WEISSBROD

Johannesburg/Nelspruit - Deutschland ist nach der Gruppen-Phase einer Fußball-WM noch nie auf der Strecke geblieben. Damit das so bliebt, muss der dreifache Weltmeister am Mittwoch (20.30 Uhr) im Soccer-City-Stadion von Johannesburg gegen Ghana das Gruppe-D-Finale unbedingt gewinnen. "Wir wissen, dass eine große Blamage drohen kann, aber diesen Gedanken muss man ausklammern", betonte DFB-Innenverteidiger Arne Friedrich vor seinem 75. Länderspiel. Den Afrikanern genügt bereits ein Punkt zum Aufstieg ins Achtelfinale.

Die Schützlinge von Trainer Joachim Löw, die zum Auftakt gegen Australien (4:0) glänzten, aber dann gegen Serbien (0:1) auf den Boden der Realität geholt wurden, werden in diesem Alles-oder-Nichts-Spiel voraussichtlich den gesperrten Stürmer Miroslav Klose durch Claudemir Jeromino Barreto, genannt Cacau, ersetzen. "Ich traue mir das auf jeden Fall zu. Wenn ich spielen sollte, bin ich fest davon überzeugt, dass ich die Rolle ausfüllen kann", sagte der gebürtige Brasilianer vom VfB Stuttgart.

Klose-Ersatz Cacau

Der 29-Jährige brächte die nötige Lockerheit in das "Endspiel" der Gruppe D mit. "Ich werde meine Stärken zeigen, Schnelligkeit, gute Ballbehandlung, Torschuss", versprach Cacau, für den wie für seine Mitstreiter nur ein Ziel zählt: "Ich merkte im Training eine große Zuversicht. Es gibt keine Zweifel, dass wir es schaffen." Der Vize-Europameister hat in den vergangenen vier WM-Turnieren immer das erste und dritte Gruppen-Spiel gewonnen und ist weiter gekommen.

"Wir werden Löwen sehen, die deutschen Löwen", kündigte Oliver Bierhoff, der deutsche Teammanager mit Salzburg-Vergangenheit, an. Kapitän Philipp Lahm meinte: "Ich bin mir zu hundert Prozent sicher, dass wir das Achtelfinale erreichen." Auch Teamchef Löw hat volles Vertrauen in seine Truppe, die nach dem Rückschlag gegen die Serben "von der Psyche nicht labil" sei. Der frühere Innsbruck- und Austria-Trainer hatte die Ghanaer beim 1:1 gegen Australien in Rustenburg intensiv studiert.

"Sie spielen körperbetont, extrem schnell nach vorne, sind im Konter gefährlich", erzählte der vor seinem 52. Länderspiel stehende 50-jährige Freiburger, der den Gegner aber in der Defensive für "verwundbar" hält. Auf Schützenhilfe der punktegleichen Serben gegen Australien durch ein Remis verlässt sich im DFB-Lager niemand. Um vieles größer als die Hoffnung auf das Parallel-Spiel ist der Glaube an die eigene Stärke. "Wenn es drauf ankam, waren wir da", erinnerte Friedrich an die Turniertugend der Deutschen.

Die Partie gegen die in der Gruppe führenden Westafrikaner, die das bisher einzige Duell mit den Deutschen vor 17 Jahren klar 1:6 verloren, erhält durch das Foul von Kevin-Prince Boateng (Portsmouth) an Michael Ballack (Chelsea) in der englischen Liga zusätzliche Brisanz. Auf den Halbbruder des auf der DFB-Bank sitzenden Jerome Boateng, der den deutschen Teamkapitän außer WM-Gefecht gesetzt hat, werden viele Augen gerichtet sein.

Der ghanaische Prinz

Der 23-Jährige wurde speziell auf diesen WM-Auftritt eingestimmt. "Wir bereiten ihn psychologisch auf die Partie vor", sagte Ghanas serbischer Teamchef Milovan Rajevac. Ballack und Jerome sind nicht die einzigen Bezugspunkte von Kevin-Prince zu Deutschland. Sein Großonkel heißt Helmut Rahn, der Deutschland 1954 zum epochalen WM-Titel schoss. Und 2006 war der mit der Fritz-Walter-Medaille in Gold dekorierte "Bad Boy" der beste deutsche Nachwuckskicker seines Jahrgangs.

Um die Gemüter nicht weiter zu erhitzen, hat sich Ghanas Boateng einen Maulkorb verpasst. Dass die Partie "natürlich etwas Besonderes" sei, hatte er vor dem WM-Start in einem FIFA-Interview eingeräumt. "Ich spiele, um zu gewinnen, egal ob mein Gegner mein Bruder, mein Vater oder meine Mutter ist." Er und seine Mitstreiter, die bisher für den einzigen Sieg des Mutterkontinents sorgten, wollen im dritten Anlauf endlich auch ein Tor aus dem Spiel heraus erzielen, nachdem sie gegen Serbien (1:0) und Australien (1:1) jeweils nur vom Elferpunkt getroffen haben.

"Wir wollen das Toreschießen in den nächsten Spielen besser machen", kündigte Rajevac an und der zweifache Torschütze Asamoah Gyan sagte: "Wir dürfen nicht wieder unsere Chancen vernebeln." Die Ghanaer haben sich zuletzt nicht gerade als Torfabrik erwiesen, gab es doch in den jüngsten zwölf Länderspielen nicht mehr als einen erzielten Treffer pro Partie

Serbien vs Australien

Mit dem Selbstvertrauen eines Sieges über Deutschland greift Serbien zeitgleich nach dem Achtelfinal-Ticket. Ein Erfolg in Nelspruit gegen Australien, das ebenfalls noch weiterkommen könnte, würde den sicheren Aufstieg bedeuten. "Wir wissen, was wir zu tun haben. Der Sieg gegen Deutschland hat uns Zuversicht gegeben, die nächste Runde zu erreichen. Wir glauben an uns", meinte Serbiens Teamchef Radomir Antic.

Während in der Heimat der historische Erfolg gegen die Deutschen mit viel Patriotismus und teilweise derbem Vokabular gefeiert wurde, konzentrierte sich das Team voll auf das Finale der Gruppe D, in der im Parallelspiel auch Deutschland und Ghana um den Verbleib im Turnier kämpfen. "Uns stehen alle Türen offen", erklärte Verteidiger Neven Subotic. "Jetzt liegt alles in unseren Händen", fügten Mittelfeldspieler Zdravko Kuzmanovic und Kapitän Dejan Stankovic unisono hinzu.

Der nach dem 0:1 zum Auftakt gegen Ghana verloren geglaubte Optimismus ist zurück im Team der Serben. Nicht nur der 61-jährige Trainer Antic weiß aber, dass die Australier bei einer Darbietung wie beim 1:1 gegen Ghana eine harte Nuss sein können: "Australien ist ein sehr gut organisiertes Team." Ein Remis würde Serbien nur im Falle einer deutschen Niederlage reichen.

Angst haben die Serben nur aufgrund zahlreicher drohender Sperren, gleich sechs Stammspieler, darunter die komplette Vierer-Abwehrkette, wären bei einer weiteren Gelben Karte im Mbombela-Stadion im Achtelfinale gesperrt. Antic könnte daher dem einen oder anderen Akteur eine Pause gönnen.

Personal Probleme bei den Aussies

Während die Serben (noch) aus dem Vollen schöpfen können, haben die Australier weiterhin personelle Probleme. Torjäger Harry Kewell und Craig Moore müssen gesperrt zuschauen. Nach einer Sperre wieder einsatzberechtigt ist aber mit Tim Cahill der wohl gefährlichste Akteur der "Aussies". Die Chance aufs Achtelfinale ist zwar eher gering, Kapitän Lucas Neill stellte allerdings klar: "Wir geben nicht auf. Ich bin so stolz, Kapitän einer so leidenschaftlichen Truppe zu sein. Solange der Glaube da ist, gibt es Hoffnung. Die Nation sollte uns nicht abschreiben."

Bei einem eigenen Sieg und einem Erfolg Ghanas gegen Deutschland sind die Australier eine Runde weiter. Im Falle eines deutschen Sieges oder eines Unentschiedens würde die Auswahl von Teamchef Pim Verbeek einen wahren Torrausch benötigen. "Wir sind alle Ghana-Fans", erklärte Mittelfeldspieler Dario Vidosic. Doch Trainer Verbeek glaubt eher an einen Sieg der Deutschen: "Und das bedeutet automatisch, dass wir einige Tore machen müssen." (APA/Reuters/dpa)

Gruppe D (3. Runde):

GHANA - DEUTSCHLAND
(Johannesburg, Soccer-City-Stadion, 20.30 Uhr, SR Carlos Simon/Brasilien)

Ghana: 22 Kingson - 4 Pantsil, 5 John Mensah, 19 Addy, 2 Sarpei - 6 Annan, 21 Asamoah, 13 A. Ayew, 3 K.-P. Boateng, 12 Tagoe - 3 Gyan

Ersatz: 1 Agyei, 16 Ahorlu - 7 Inkoom, 17 I. Ayew, 15 Vorsah, 10 Appiah, 11 Muntari, 20 Owusu-Abeyie, 18 Adiyiah, 14 Amoah, 8 Jonathan Mensah, 9 D. Boateng

Teamchef: Milovan Rajevac (SRB)

Deutschland: 1 Neuer - 16 Lahm, 17 Mertesacker, 3 Friedrich, 14 Badstuber - 6 Khedira, 7 Schweinsteiger - 13 Müller, 8 Özil, 10 Podolski - 19 Cacau

Ersatz: 12 Wiese, 22 Butt - 2 Jansen, 4 Aogo, 5 Tasci, 20 J. Boateng, 15 Trochowski, 18 Kroos, 21 Marin, 9 Kießling, 23 Gomez

Es fehlt: 11 Klose (gesperrt)

Teamchef: Joachim Löw

AUSTRALIEN - SERBIEN
(20.30 Uhr, Nelspruit, Mbombela-Stadion, SR Larrionda/Uruguay)

Australien: 1 Schwarzer - 2 Neill, 6 Beauchamp, 11 Chipperfield, 8 Wilkshire - 23 Bresciano, 5 Culina, 14 Holman, 7 Emerton - 16 Valeri, 4 Cahill

Ersatz: 12 Federici, 18 Galekovic - 21 Carney, 20 Milligan, 17 Rukavytsya, 9 Kennedy, 15 Jedinak, 19 Garcia, 22 Vidosic

Es fehlen: 13 Grella (verletzt), 3 Moore (gesperrt), 10 Kewell (gesperrt)

Teamchef: Pim Verbeek (NED)

Serbien: 1 Stojkovic - 6 Ivanovic, 5 Vidic, 13 Lukovic, 3 Kolarov - 17 Krasic, 10 Stankovic, 22 Kuzmanovic, 14 Jovanovic - 15 Zigic, 8 Lazovic

Ersatz: 12 Isailovic, 23 Djuricic - 2 Rukavina, 16 Obradovic, 9 Pantelic, 21 Mrdja, 4 Kacar, 19 Petrovic, 11 Milijas, 18 Ninkovic, 7 Tosic, 20 Subotic

Keine Ausfälle

Teamchef: Radomir Antic