Bild nicht mehr verfügbar.

Mehr als 80 Prozent der HIV/Aids Medikamente für Entwicklungsländer stammen aus Indien.

Foto: EPA

„Die Patentklausel im Freihandelsabkommen zwischen Indien und der EU hätte eine direkte Auswirkung auf die Aids-Patienten in Afrika und anderen Entwicklungsländern", sagt Alexandra Heumber von Ärzte ohne Grenzen in Brüssel: „Indien ist die Apotheke der Entwicklungsstaaten". Deshalb versucht die Hilfsorganisation auch gegen den Zusatz vorzugehen. 

Das erwähnte Freihandelsabkommen wird schon seit über einem Jahr verhandelt und soll Ende diesen Jahres abgeschlossen werden. Neben Änderungen der Handelsbestimmungen zwischen der Union und Indien, stößt sich Ärzte ohne Grenzen vor allem an einer Klausel: die, die den Schutz von geistigem Eigentum in Zukunft regeln soll.

Keine Patentschranken in Indien - bis jetzt

Indien ist der größte Generikaproduzent (Kopie eines Markenmedikaments mit dem gleichen Wirkstoff) der Welt und beliefert damit Hilfsorganisationen rund um den Globus mit billigen Medikamenten. Ärzte ohne Grenzen bezieht die Aids/HIV-Präparate zu über 80 Prozent aus dem Staat. Diese Bereitstellung der oft lebenswichtigen Medikamente ist nur möglich, da es in Indien bis dato noch keine Patentschranken gibt. Das soll sich nun ändern. „In Zukunft wird es deshalb schwer werden, leistbare Medikamente zu bekommen", sagt Heumber. 

Die geforderten Änderungen der Patentbestimmungen durch die EU beinhalten etwa eine Ausweitung der jetzigen Patentlaufzeit von zwanzig Jahren um den Zeitraum, den die Arzneimittelbehörde benötigt, um die Zulassung eines Generikas zu überprüfen. Außerdem würden der Generikaproduktion weitere Steine in den Weg gelegt werden. 

Patentklausel in Konflikt mit TRIPS-Abkommen

Bei der Zulassung eines neuen Präparates würden sich die Generikahersteller nämlich nicht mehr auf eine bereits bestehene klinische Studie über den Wirkstoff berüfen dürfen, sondern müssten eine neuerliche Untersuchung in Auftrag geben müssen. Dieses Prodezedere wäre mit weiteren Kosten verbunden und würde folglich die Medikamentenpreise weiter ansteigen lassen.

Ärzte ohne Grenzen sieht in diesem Zusammenhang auch einen Konflikt mit dem TRIPS-Abkommen (Abkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte des Geistigen Eigentums). „Die öffentliche Gesundheit muss immer über den Handelsinteressen stehen", sagt Heumber. Dieses Abkommen besagt, dass der Staat Zwangslizenzen erteilen darf, um die Herstellung von patentgeschützten Medikamenten zu ermöglichen.

Offener Brief an EU-Handelskommissar

Seit der Doha-Erklärung 2001 ist es auch möglich, solche Medikamente in Drittstaaten zu exportieren, soweit diese nicht über eigenständige Produktionskapazitäten verfügen. Das würde bedeuten, dass Indien eigentlich, um die Gesundheit im eigenen Land und Entwicklungsstaaten sichzustellen, weiterhin Generika von patentierten Medikamenten herstellen dürfte.

Um auf die Auswirkungen der Patenklausel auf die Behandlung von Aids/HIV-Patienten in Entwicklungsländern aufmerksam zu machen, schrieben Ärzte ohne Grenzen einen offenen Brief an den EU-Handelskommissar Karel De Gucht. Darin sprach die Organisation von einem „Rückschritt" in der Behandlung von Dritte-Welt-Patienten und dass nur Pharmakonzerne einen Vorteil aus der Klausel ziehen würden: ihr Monopol wäre gestärkt.

In seiner Antwort stellte De Gucht klar, dass die Klausel keine Auswirkung auf Medikamentenlieferungen in Dritte-Welt-Länder hätte, sondern lediglich Generikaproduzenten in der EU ermöglichen würde, mit Firmen aus Indien in Konkurrenz treten zu können. „Wir glauben zwar, dass der Handelskommissar unsere Ängste versteht, aber wir fordern, dass die EU aufhört Indien zum Unterzeichnen dieser Klausel zu drängen", sagt Heumber.