Schwer zu bekämpfen: Drahtwürmer leben im Normalfall tief im Boden und sind für Insektizide praktisch unerreichbar.

Foto: Michael Traugott

Sie sind das gelbliche Getier, das beim Umgraben ab und zu zum Vorschein kommt. Und wenn man dann einen sich windenden Drahtwurm sieht, kommen nicht selten Ekelgefühle auf. Denn ganz harmlos sind die bleichen Geschöpfe nicht - auch wenn sie für den Menschen völlig ungefährlich sind: Da sie oft in großer Menge vorkommen und gerne an Wurzeln fressen, gelten Drahtwürmer als üble Landwirtschaftsschädlinge.

Drahtwürmer sind die Larven von sogenannten Schnellkäfern der Familie Elateridae. Drei bis fünf Jahre lang leben die meisten dieser Arten versteckt im Untergrund, bis sie sich im Sommer verpuppen und im nächsten Frühling als geschlechtsreife Käfer aus dem Boden krabbeln.

"Besonders gefährdet sind junge Maispflanzen", erklärt Michael Traugott vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck im Gespräch mit dem Standard. Auch in Kartoffeläckern können die hungrigen Larven größere Probleme verursachen. Sie bohren sich mit Vorliebe in die heranwachsenden Knollen hinein. "Das sind dann Einfallstore für Pilze und andere Schädlinge", so Traugott.

Die Bekämpfung von Drahtwürmern ist schwierig. Die Tiere kriechen nämlich eher vertikal in der Erde als horizontal. Zum Fressen bewegen sie sich nach oben, bis etwa fünf bis zehn Zentimeter unter der Erdoberfläche. Am Ende einer Wachstumsphase jedoch verziehen sich die Larven weiter nach unten und häuten sich in tieferen Bodenschichten.

Für Insektengift unerreichbar

Dort aber sind sie für Insektizide praktisch unerreichbar. Abgesehen davon sind Bodenbekämpfungsmittel unspezifisch: Sie töten alle Insekten, die mit ihnen in Kontakt kommen. "Und sie sind teuer", ergänzt Michael Traugott. Viele Präparate sind inzwischen sogar verboten. Deshalb werden alternative Pflanzenschutzmethoden nicht nur aus ökologischer Sicht, sondern auch wirtschaftlich immer interessanter.

Anscheinend wächst eine umweltverträgliche und extrem kostengünstige Lösung des Drahtwürmer-Problems ebenfalls auf dem Acker: schlichtes Unkraut. Der Biologe Michael Traugott untersucht zusammen mit seinen Innsbrucker Kollegen im Rahmen eines vom Wissenschaftsfonds FWF geförderten Forschungsprojekts die Ernährungsweise von Schnellkäferlarven der Gattung Agriotes und anderer Spezies. Die Experten haben den Speiseplan der Drahtwürmer anhand der Konzentrationen bestimmter Kohlenstoff- und Stickstoff-Isotope in deren Körpern nachvollzogen. Dabei kamen einige Überraschungen ans Licht.

Die Analyse der in den Larven vorhandenen Mengen des Stickstoff-Isotops 15N zeigten, dass sich Drahtwürmer der Gattungen Adrastus und Athous zu einem erheblichen Teil von tierischer Substanz ernähren. Sie leben demnach zumindest teilweise räuberisch oder als Aasfresser und nicht als wurzelverzehrende Schädlinge, wie bisher angenommen wurde.

Noch interessanter jedoch ist das Fressverhalten von Agriotes-Larven auf Maisfeldern. Da Mais eine Pflanze mit einer sogenannten C4-Photosynthese ist, reichert sie in ihrem Gewebe viel mehr 13C-Kohlenstoff an als einheimische C3-Gewächse. Die 13C-Konzentrationen in den untersuchten Drahtwürmern der Gattung Agriotes ermöglichten genaue Rückschlüsse auf ihre Diät.

Auf konventionell bewirtschafteten Flächen deckten die Tiere ihren Nahrungsbedarf zu 97 Prozent durch den Verzehr von Maiswurzeln. Ganz anders ist die Lage offenbar auf den Maisfeldern von Biobauern. Dort wächst meist reichlich (C3-)Unkraut, und die Drahtwürmer mögen's.

Bis zu knapp 70 Prozent besteht ihr Futter dort aus Wildwuchs, ermittelten Michael Traugott und sein Team (vgl. Soil Biology & Biochemistry, Bd. 40, S. 342). Der Mais wird dadurch erheblich geschont.

Die österreichischen Experten verfolgen nun eine erstaunliche Idee: Sie möchten die Schnellkäferlarven durch ein alternatives Nahrungsangebot von den Maiswurzeln fernhalten. Die Forscher haben bereits eigene Feldexperimente mit guten ersten Ergebnissen durchgeführt. Die Schäden an den Maispflanzen ließen sich dank Unkraut um 20 bis 30 Prozent verringern. An den Wurzeln der Wildkräuter fanden die Forscher doppelt so viele Drahtwürmer wie am Mais, berichtet Michael Traugott, "und der Ernteertrag war ebenfalls besser" .

Lenkung des Fraßverhaltens

Eine der Hauptfragen ist nun, ob die Larven bestimmte Pflanzenspezies als Nahrung bevorzugen. Manches weist darauf hin. "Wenn man das weiß, kann man ihr Fraßverhalten lenken", meint der Innsbrucker Ökologe. "Wir sind noch dabei, die optimalen Lockpflanzen zu finden."

Dafür werden er und seine Kollegen unter anderem modernste molekularbiologische Methoden anwenden und aus dem Mageninhalt der Drahtwürmer DNA-Bruchstücke herausfischen, die sich dann Pflanzenarten zuordnen lassen. "Das funktioniert sehr ähnlich wie die Opfer-Identifizierung in der Kriminalistik", sagt Michael Traugott. (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. Juni 2010)