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Peres: "Wenn die Europäer so recht haben, sollen sie die Hamas europäischer machen."

Foto: AP/Lionel Bonaventure

Er findet die Kritik der Europäer an Israel wegen des Sturms auf die Gaza-Flotte unfair.

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Standard: Herr Präsident, die "Gaza-Flotte" hat politische Nachwirkungen. Israel hat jetzt beschlossen, die Blockade des Gazastreifens erheblich zu lockern. Wäre es nicht klüger gewesen, das schon viel früher zu machen?

Peres: Vielleicht, aber damals haben sie Raketen auf uns geschossen, vergessen Sie das nicht. Israel hat Gaza vollständig verlassen - es gab keinen einzigen Israeli mehr in Gaza, und wir konnten nicht verstehen, warum sie 10.000 Raketen auf die Zivilbevölkerung in Israel abgeschossen haben. Wir konnten den Sinn nicht verstehen, und wir mussten Gegenmaßnahmen treffen. Es hat lange gebraucht, bis wir sie dazu gezwungen haben, damit aufzuhören. Also wenn Sie zurückschauen, müssen Sie auf beiden Seiten zurückschauen.

Standard: Aber jetzt in der Rückschau - muss man da nicht sagen, dass die Blockade nutzlos war oder sogar ein Fehler?

Peres: Ich bin nicht sicher, und die Blockade hätte in fünf Minuten beendet werden können, wenn die Machthaber in Gaza gesagt hätten: Wir wollen Frieden, wir anerkennen Israel, wir sind gegen Terror. Das ist alles. Sie könnten das ganze Problem lösen, wenn Gaza sich verhielte wie die West Bank - dasselbe palästinensische Volk, dieselbe israelische Regierung.

Standard: Europa, und mit ihm Österreich, verlangt aber die völlige Aufhebung der Blockade. Wird das geschehen?

Peres: Ja, wenn sie den Terror beenden, warum nicht? Es ist eine Sache von zwei Seiten, nicht von einer. Warum wird nicht der gleiche Druck auf die Hamas ausgeübt? Warum bekommen sie die Erlaubnis, den Frieden zurückzuweisen, Verhandlungen abzulehnen, israelische Soldaten zu entführen? Es ist ein bisschen unfair, den ganzen Druck auf Israel zu legen und sie in Gaza ein Regime führen zu lassen, das allen Werten von Europa, den USA und uns selbst zuwiderläuft.

Standard: Es droht eine neue Konfrontation wegen der Schiffe, die vielleicht aus dem Libanon oder sogar aus dem Iran kommen werden. Wie wird Israel damit umgehen?

Peres: Wozu kommen diese Schiffe? Man kann heute Lebensmittel und Medikamente ohne jedes Problem in den Gazastreifen bringen. Darauf haben sie keine Antwort. Ich weiß nicht, ob die internationale Gemeinschaft derartige Provokationen fördern sollte.

Standard: Allgemein sieht es so aus, als wäre Israels internationales Ansehen nie so schlecht gewesen wie heute. Sogar befreundete Länder akzeptieren Israels Erklärungen und Untersuchungen nicht. Sind Sie besorgt darüber, ist das eine Belastung für Israel?

Peres: Ich bin besorgt, aber ich bin auch besorgt für die Leute, die das machen. Denn wenn sie versuchen, Israel zu delegitimieren, wen legitimieren sie dann? Ahmadi-Nejad, die Hamas, die Hisbollah, Al-Kaida? Wen unterstützen sie? Ich denke, sie machen einen Fehler. Wenn sie Israel delegitimieren, dann legitimieren sie indirekt auch Gefahren, die auf sie zurückfallen werden. Und es muss mit Fairness verbunden werden. Würden die Kritiker sagen: Wir können den Raketenbeschuss aufhalten, ohne irgendeine Aktion von Israel - okay, dann wären wir glücklich. Wir sind nicht glücklich über Kriege und leidende Zivilisten. Aber man sollte uns nicht deswegen delegitimieren, weil wir uns gegen eine gesetzlose Gruppe von Terroristen wehren, die unser Leben bedroht. Es ist nicht unsere Wahl. Wenn die Europäer so recht haben, dann sollen sie doch die Hamas europäischer machen - dann haben wir kein Problem.

Standard: Zum Thema Iran - es gibt jetzt die neuen, vielleicht schmerzhaften Sanktionen. Sie werden von Europa, von den USA getragen, sogar China und Russland sind dabei. Ist Israel jetzt mit diesen Sanktionen zufrieden?

Peres: Es ist ein Kompromiss zur Verbreiterung der Koalition gegen den Iran. Ich denke, die USA sollten führen. Ich denke nicht, dass Israel versuchen sollte, die iranische Gefahr zu monopolisieren. Es ist eine Gefahr für die Welt, nicht nur für Israel. Wir sollten ein gutes Mitglied der Koalition sein, die sich dieser Gefahr entgegenstellt, aber wir sehen uns nicht als deren Anführer. Der Iran ist eine religiöse Diktatur, die auf Demonstranten schießt, die Menschen hängt, weil sie homosexuell sind. Sie sind ein Mitglied der Uno und wollen Israel zerstören. Das alles sollte eine Sorge für Österreich sein, genauso wie für Israel. Ich habe von Präsident Obama und von Präsident Medwedew gehört, sie werden nicht zulassen, dass der Iran eine Atombombe hat. (DER STANDARD, Printausgabe 23.6.2010)