New York - Die Wirtschaftskrise gefährdet das Erreichen der Millenniumsentwicklungsziele (MDGs) bis 2015 nicht, obwohl sie weltweit viele Arbeitsplätze und Einkommen vernichtet hat. Zu diesem Ergebnis kommen die Vereinten Nationen in ihrem am Mittwoch vorgestellten Jahresbericht zu den MDGs. In dem Bericht werden einige Erfolge präsentiert, aber auch Gründe aufgezeigt, weshalb keine ausreichenden Fortschritte erzielt werden.

Der Bericht, der von UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon vorgestellt wird, dient der Vorbereitung auf den UNO-Sondergipfel im September. Er erscheint nur wenige Tage vor dem G-8 Gipfel in Kanada, bei dem die VertreterInnen der großen Wirtschaftsnationen über ihre zukünftigen Hilfszusagen diskutieren werden.

Acht globale Ziele

Im September 2000 wurden folgende acht Millenniumsentwicklungsziele von den an der 55. UN-Generalversammlung teilnehmenden Staats- und Regierungschefs beschlossen: die Halbierung von extremer Armut und Hunger, die Gewährleistung von Volksschulausbildung für alle Kinder weltweit, die Gleichstellung von Frauen, die Senkung von Kindersterblichkeit, die Verbesserung der Gesundheitsversorgung für Mütter, die Bekämpfung von Krankheiten wie beispielsweise HIV/Aids und Malaria, die Sicherung einer ökologischen Nachhaltigkeit sowie der Aufbau einer globalen Entwicklungspartnerschaft.

Versprechen einhalten

Ban Ki Moon schreibt im Vorwort des nun vorliegenden Berichts, "dass die Ziele erreichbar sind, wenn nationale Strategien zur Entwicklungszusammenarbeit durch internationale Partner unterstützt werden. Es ist aber auch klar, dass wir das Leben der Armen nur inakzeptabel langsam verbessert haben. Einige hart errungene Erfolge sind durch den Klimawandel sowie die Nahrungs- und Wirtschaftskrise gefährdet worden. Milliarden Menschen blicken auf die internationale Gemeinschaft, die die MDGs umsetzen soll. Wir müssen dieses Versprechen einhalten."

Durchwachsene Bilanz

In dem UNO-Bericht werden einige große Fortschritte beschrieben: Immer mehr Kinder können Volksschulen besuchen, vor allem in Afrika. Fortschritte gibt es auch bei der Bekämpfung von AIDS und Malaria und der Verbesserung der gesundheitlichen Lage von Kindern. In vielen anderen Bereichen gibt es jedoch keine Fortschritte. Das hat vor allem Folgen für die Ärmsten, die Landbevölkerung, Behinderte und Menschen, die aufgrund ihrer Herkunft oder ihres Geschlechts diskriminiert werden.

Nur die Hälfte aller Menschen in den Entwicklungsländern hat Zugang zu ausreichenden Sanitäranlagen wie Toiletten oder Latrinen. Mädchen aus dem ärmsten Fünftel der Weltbevölkerung haben eine 3,5 Mal geringere Wahrscheinlichkeit, eine Schule besuchen zu können, als diejenigen aus den reichsten Haushalten.

Mehr Hunger

Die Zahl der Menschen, die mit weniger als 1,25 US-Dollar am Tag leben müssen, ist von 46 Prozent (1990) auf 27 Prozent (2005) gesunken. Grund sind Fortschritte in China, Süd- und Südostasien. Es wird erwartet, dass diese Zahl auf 15 Prozent bis 2015 sinken wird. Der Kampf gegen den Hunger wurde dagegen durch die Wirtschaftskrise erschwert. Die Zahl der Unterernährten ist schneller gestiegen, 2008 durch steigende Nahrungsmittelpreise, 2009 durch sinkende Einkommen.

Die Untersuchung von Ziel 8 (Globale Entwicklungspartnerschaft) durch die UNO belegt, dass trotz der wirtschaftlichen Probleme die internationale Kooperation nicht signifikant geschwächt wird. Die Öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) stieg sowohl 2008 als auch 2009 und beträgt insgesamt knapp 120 Milliarden US-Dollar (97,9 Mrd. Euro) pro Jahr. Im UNO-Bericht wird aber gewarnt, dass die Zunahme der ODA 2009 in realen Werten lediglich 0,7 Prozent gegenüber 2008 beträgt. Gemessen am gegenwärtigen Kurs des US-Dollars bedeutet das sogar einen Rückgang um zwei Prozent. Es klaffen noch große Lücken beim Versprechen von 2005, die Hilfe für Afrika zu verdoppeln.

Für Ziel 7 (Sicherung ökologischer Nachhaltigkeit) enthält der UNO-Bericht alarmierende Zahlen. Im letzten Jahrzehnt sind auf der Welt jedes Jahr 13 Millionen Hektar Wald vernichtet worden. Ein Jahrzehnt zuvor waren es jährlich 16 Millionen Hektar.

Mütter-Sterblichkeitsraten rückläufig

Für die Millenniumsziele 4 und 5 (Senkung der Sterblichkeitsrate von Müttern und Kindern) werden laut Bericht Erfolge verzeichnet. Dennoch genügen diese nicht, um die Millenniumsentwicklungsziele bis 2015 zu erreichen. Die Sterblichkeit von Kindern unter fünf Jahren ist von 12,6 Millionen (1990) auf geschätzt 8,8 Millionen (2008) gesunken. Das Sterbeverhältnis lag 1990 bei 100 toten Kindern auf 1.000 Lebendgeburten. 2008 betrug es 72:1000. Das ist ein Rückgang von 28 Prozent, der jedoch nicht ausreicht, um das Ziel 4 zu erreichen: Zwischen 1990 und 2015 soll die Sterblichkeitsrate von Kindern um zwei Drittel sinken.

Bei der Sterblichkeit von Müttern gibt es in vielen Ländern Fortschritte. Nötig wäre aber ein Sinken von jährlich 5,5 Prozent, um Ziel 5 zu erreichen: Zwischen 1990 und 2015 soll die Sterblichkeitsrate von Müttern um drei Viertel sinken. Hunderttausende Frauen sterben während der Schwangerschaft oder Geburt. Die Gesundheit von Müttern ist schwierig zu messen, häufig kann die Todesursache nicht eindeutig bestimmt werden. Der Jahresbericht 2010 belegt aber, dass die Unterschiede bei der Geburtshilfe zwischen Städten und ländlichen Gebieten geringer geworden sind und mehr Frauen während ihrer Schwangerschaft fachkundig betreut werden.

HIV immer besser unter Kontrolle

Als UNO-Generalsekretär Ban seinen gemeinsamen Aktionsplan vorstellte, nannte er den gemeinsamen Kampf gegen HIV/Aids als eines der hervorragenden Beispiele für gemeinsames Handeln. Die aktuellen Zahlen belegen das: "Die Verbreitung von HIV hat sich in den meisten Regionen stabilisiert und mehr Menschen haben bessere Überlebenschancen", heißt es in dem Bericht. Ziel ist es, die Verbreitung von Aids zu stoppen und allmählich umzukehren. Die höchste Sterberate wurden 2004 mit 2,2 Millionen Aids-Toten verzeichnet. 2008 betrug die Rate 2,0 Millionen.

Resolution im Herbst

Die UNO hält vom 20. bis 22. September 2010 in New York einen Sondergipfel ab. Dort soll ein Plan verabschiedet werden, um die acht Millenniumsziele weltweit schneller zu erreichen. Mehr als 100 Staats- und RegierungschefInnen werden erwartet, ebenso VertreterInnen von Unternehmen, Stiftungen und der Zivilgesellschaft.

Der MDG-Bericht enthält eine jährliche Bilanz darüber, welche Fortschritte in einzelnen Regionen bisher erzielt worden sind. Er enthält die umfangreichsten und aktuellsten Daten und wird von über 25 UNO-Agenturen und -Programmen zusammengestellt. Herausgegeben wird er von der UNO-Hauptabteilung für wirtschaftliche und soziale Angelegenheiten. (APA)