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"Ich muss nicht auf jedem Kirtag tanzen" , findet Elisabeth Bleyleben-Koren und hielt Abende und Wochenenden möglichst von Geschäftsterminen frei. Dass ihr deshalb der Sprung an die Konzernspitze verwehrt worden sei, glaubt sie nicht. "Ich bin ganz zufrieden, wo ich bin", meint sie zum Abschied.

Foto: APA/Hans Klaus Techt

Die Banken haben das Kundenvertrauen zu Recht verloren, meint Erste-Bankerin Elisabeth Bleyleben-Koren. Wie sie sich Unternehmen ohne Frauen und ihren Pensionsstart vorstellt, erfragte Renate Graber.

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STANDARD: Sie gehen am 1. Juli in Pension, waren 37 Jahre im Bankgeschäft und verlassen es in einer schwierigen Zeit.

Bleyleben-Koren: Tatsächlich sind die Banken weltweit in einer sehr schwierigen Situation. Sie haben einerseits das Kundenvertrauen verloren und müssen versuchen, das wieder aufzubauen, auf der anderen Seite sind sie mit sehr starken Regulierungsideen à la Basel III konfrontiert. Das wird das Bankgeschäft deutlich verändern.

STANDARD: Ging das Kundenvertrauen zu Recht verloren?

Bleyleben-Koren: Ja, wenn auch nicht bei allen Banken. Aber zu wissen: diese Bank ist gut, diese Bank ist schlecht, das ist für einen Beobachter von außen unmöglich.

STANDARD: Haben die österreichischen Banken in Osteuropa übertrieben? Da wurden auch enorme Summen für Bankkäufe ausgegeben, da glaubte man auch an ewiges Wachstum.

Bleyleben-Koren: Das stimmt so nicht. Österreichische Banken sind Geschäftsbanken, die in erster Linie Einlagen hereinnehmen und Kredite vergeben. Man muss unterscheiden zwischen solchen Banken und Investmentbanken; hoffentlich wird dieser große Unterschied bei all den geplanten Regulierungen bedacht. Sollte den Banken die Kreditvergabe weiter erschwert werden, dann wäre das auch ein Schaden für die Volkswirtschaft. Kommt alles, was jetzt in der Pipeline ist, wird keine österreichische Bank mehr Geschäft machen können. Das kann ja nicht die Lösung sein.

STANDARD: Muss nicht jedem klar sein, dass nichts ewig wächst?

Bleyleben-Koren: Schon, aber die Bescheidenheit, das Zufriedensein mit weniger war nicht da, Unendliches schien möglich. Und dazu kam die Unvernunft: Dinge, von denen man nichts versteht, sollte man sein lassen.

STANDARD: Haben Sie nie gesagt, das kann nicht ewig gut gehen? Oder wäre man da Spielverderber?

Bleyleben-Koren: Sicher gilt man als Spielverderber. Aber ich hatte das Riesenglück, in einer Retailbank zu sein, in der sich diese enormen Wachstumsraten nicht abgespielt haben. Die Erste Bank hatte 1973, als ich ins Bankgeschäft ging, eine Bilanzsumme von 25 Mrd. Schilling, jetzt hat die Erste Bank Österreich 25 Mrd. Euro. Wir haben heute doppelt so viele Mitarbeiter - das sind Wachstumsraten, die schön, aber nicht dramatisch sind.

STANDARD: Sind Sie vielleicht froh, dass Sie die Zukunft der Banken nichts mehr angeht?

Bleyleben-Koren: Ich würde nicht gehen, dächte ich nicht, dass die Erste Bank Österreich und die Sparkassengruppe gut aufgestellt sind. Zu Beginn der Finanzkrise wäre ich nicht gegangen und auch nicht, solange der Haftungsverbund Erste-Sparkassen nicht stand. Die Erste Bank Österreich liefert den zweitbesten Beitrag der Gruppe, das ist gut für so ein kleines Land. Wirklich sehr gut. Und Basel III nicht mehr zu genießen, hat absolute Vorteile.

STANDARD: Sie gehen also gern?

Bleyleben-Koren: Natürlich gehe ich nach so langer Zeit nicht leichten Herzens. Aber ich werde mehr Lebensqualität haben.

STANDARD: Manche sagen, Sie wären gern noch geblieben?

Bleyleben-Koren: Ich weiß nicht, wer manche sind. Es ist, rein rational betrachtet, ein sehr sehr guter Zeitpunkt zu gehen. Emotional fällt es mir schwer.

STANDARD: Bei anderen Managern merkt man nicht, dass sie in Pension sind. Sie hören wirklich auf?

Bleyleben-Koren: Ich gehe wirklich in Pension, bleibe in keinem Aufsichtsrat. Ich halte nichts von halben Sachen. Ganz oder gar nicht.

STANDARD: Manager arbeiten ja oft rund um die Uhr. Ist das klug?

Bleyleben-Koren: Nein, sie muten sich oft zu viel zu. Ich war diszipliniert, habe geschaut, möglichst wenig Termine am Abend und Wochenende zu haben. Ich muss nicht auf jedem Kirtag tanzen.

STANDARD: Hat das Ihrem Aufstieg geschadet? Säßen Sie sonst vielleicht da drüben, wo Erste-Group-Chef Andreas Treichl sitzt?

Bleyleben-Koren: Sie meinen: da oben. Die Erste Group sitzt einen Stock über uns, die Erste Bank Österreich ist einen Stock näher zum Boden (lacht). Nein, nein, ich bin ganz zufrieden da, wo ich bin.

STANDARD: Sie haben immer betont, Sie hätten die gleichen Karrierechancen gehabt wie ein Mann. Sparkassen-Generalsekretär Ikrath sagt sinngemäß, mit "Lehman Sisters" hätte es die Finanzkrise nicht in dem Maße gegeben. Glauben Sie das auch?

Bleyleben-Koren: Ich hüte mich vor Verallgemeinerungen. Einen Unterschied zwischen Frauen und Männern sehe ich aber sehr wohl: Frauen zweifeln öfter an sich selbst. Und ich finde das gut, weil es eine gewisse Bescheidenheit bringt, selbst wenn es die Karriere ein bisschen abbremsen kann. Besser Selbstzweifel, als man bildet sich ein, alles zu können. Gäbe es in Unternehmen lauter Frauen, wäre es jedenfalls fader. Aber ob es besser wäre?

STANDARD: In den Vorständen von Erste Group und Erste Bank Österreich wird es jetzt fad. Sie waren ja die einzige Frau hier.

Bleyleben-Koren: Ach, ich glaube, den Herren ist nicht fad.

STANDARD: Was tun Sie am 1. Juli?

Bleyleben-Koren: Aufstehen und wissen, dass ich keinen Termin habe. Ich stelle mir das ganz gut vor. Mal schauen, wie es wirklich ist. DER STANDARD, Print-Ausgabe, 24.6.2010)