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Bundeskanzler Faymann (li.) war bei seinem Besuch in Yad Vashem sichtlich gerührt.

Foto: AP/Baz Ratner

Bundeskanzler Werner Faymann drängte in Israel auf ein Ende der Gaza-Blockade und bot Hilfe bei der Kontrolle von Gütern an. Premierminister Benjamin Netanyahu wetterte gegen Iran und Gazaflotte und antwortete nicht.

Die Pressekonferenz mit dem österreichischen Bundeskanzler wurde in den israelischen Abendnachrichten live übertragen und so nützte Premierminister Benjamin Netanyahu die Anwesenheit von Werner Faymann weniger zur Information der Journalisten, sondern als Rede an die Nation – und die war durchwegs emotional. Fragen hätten nur gestört, waren also nicht erlaubt.

Netanyahu lobte kurz Österreichs Rolle bei der Verhängung der Sanktionen gegen den Iran, ließ aber keinen Zweifel offen, dass sich Israel noch weit drastischere Sanktionen und Schritte gegen den Iran wünsche. Damit war der Premier bei seinem Thema: Netanjahu appellierte an alle Friedensaktivisten und Friedensbewegten, "dorthin zu gehen, wo Frauen geknechtet werden, wo Homosexuelle öffentlich hingerichtet werden, wo es keine Meinungs- und keine Pressefreiheit gibt. Gehen Sie in den Iran, gehen Sie in den Gaza-Streifen!"

Faymann war wohl vorbereitet, war auf das Tempo, das sein Gastgeber vorlegte, aber offenbar nicht ganz vorbereitet, er hielt sich mit Grußworten und Dankesbekundungen auf, ehe er nochmals auf ein Ende der Gaza-Blockade drängte. Die Liste, von der Netanyahu sprach, sei ein Schritt, aber die Menschen im Gaza-Streifen bräuchten bessere Lebensbedingungen – das dürfe freilich kein Freibrief für Waffenlieferungen sein. Faymann vertrat die Positionen der EU, er hatte an diesem Tag schon mehrfach in Gesprächen mit israelischen Politikern wie etwa Außenminister Avigdor Liberman ein Ende der Blockade des Gaza-Streifens gefordert. Faymann hatte auch Hilfe angeboten, Hilfe der EU, für die er hier sprach, und Hilfe Österreichs: Man wolle Israel bei den Grenzkontrollen zum Gaza-Streifen beistehen, man könne Beamte schicken, wenn die Blockade gelockert oder aufgehoben werde.

Netanyahu nahm Faymann geschickt den Wind aus den Segeln, die Knesset, das israelische Parlament, habe eben beschlossen, eine Liste mit Gütern, die in den Gaza-Streifen dürfen, zu erstellen, "Lebensmittel, Medikamente, Spielzeug, alles. Nur keine Waffen!" Und die Gaza-Flotte der sogenannten Friedensaktivisten sei ohnedies nur ein Instrument der Hamas und des Iran. "Und jetzt wollen sie auch noch ein Frauenschiff schicken", empörte sich Netanyahu, "jene, die die Frauen knechten" , das sei "zynisch".

Zuvor hatte schon Außenminister Liberman ein Ende der Blockade abgelehnt, der ultrarechte Nationalist argumentierte eingängig: "Wir wollen keine Raketen mehr." Die Blockade des Gaza-Streifens müsse aufrechterhalten werden, das sei essenziell für die Sicherheit Israels.

Zu Beginn seines zweitägigen Besuchs in Israel hatte Faymann auch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, in der sechs Millionen ermordeter Juden gedacht wird, besucht. Selbst ein Politiker – und sei es bei einem Staatsbesuch – kann sich den tiefen Eindrücken nicht entziehen, die ein Besuch von Yad Vashem auslöst. So zeigte sich auch Faymann "tief bewegt und beeindruckt" . Er versprach, dass man in Österreich "niemals vergessen" werde. Und er wolle sich um Bildung und Erziehung kümmern, für ein besseres Verständnis und für mehr Toleranz. (Michael Völker aus Jerusalem/DER STANDARD, Printausgabe, 24.6.2010)