Wien/Washington - Unvorstellbar kurz ist die Zeitskala, auf der atomare Prozesse ablaufen: Elektronen rasen mit Millionen km/h rund um den Atomkern. Physikern um Ferencz Kraus (Max-Planck Institut für Quantenoptik in Garching und TU Wien) gelang es nun, zeitliche Differenzen bei Elektronenemissionen im Bereich von Attosekunden (Milliardstel einer Milliardstelsekunde) zu messen und zu analysieren, wie sie im Journal "Science" (Bd. 328, S. 1658) berichten.

Experiment

Um Bewegungen von Teilchen auf Atomniveau und kleiner bestimmen zu können, müssen Wissenschafter in den Bereich der Attosekunden vordringen. Wie mit einem Stroboskop in der Disco lassen sich so Bewegungen gleichsam einfrieren und beobachten. Für ihr Experiment ionisierten die Wissenschafter Atome des Edelgases Neon mittels eines Attosekunden-Lichtblitzes. Bei einer solchen Ionisierung werden Elektronen mobil, sie werden den Atomen entrissen. Nach dem ersten Blitz wird ein weiterer kurzer Laserpuls auf die Atome gerichtet, dieser dient der Analyse.

"Wenn ein Laserpuls auf ein Atom trifft, können Elektronen aus unterschiedlichen Quantenzuständen ionisiert werden", erklärte Renate Pazourek, die neben Joachim Burgdörfer (Leitung) und Stefan Nagele das Wiener Team bildet. Diese Quantenzustände sind nach dem vereinfachten, aber anschaulichen Atommodell verschiedene Bahnen der Elektronen um den Kern.

Fehlstart

Beim Garchinger Experiment beobachteten die Physiker Elektronen aus den Quantenzuständen 2p und 2s. Dass diese Teilchen unterschiedliche Geschwindigkeiten entwickeln, war bereits bekannt. Nun zeigte sich zusätzlich, dass die 2s-Teilchen um einige Attosekunden früher als die 2p-Elektronen starten, letztere quasi einen "Fehlstart" hinlegen. Letztendlich entstehe eine Art Wettlauf - in der Folge erweisen sich die später gestarteten 2p-Elektronen als schneller. Sie folgen den 2s-Teilchen nach und überholen sie kurze Zeit später.

Die Wiener Gruppe steuerte unter anderem Computersimulationen zu dem Experiment bei. Burgdörfer erwartet, dass die Quantenwelt durch die Möglichkeiten der Attosekunden-Messtechnik in Zukunft noch einige Geheimnisse preisgeben wird. (red/APA)