Bei längeren Reisen nach Ost oder West gerät unsere "innere Uhr" aus dem Takt ... die Erkenntnisse aus Versuchen mit Mäusen eröffnen vielleicht einen neuen Weg zur Hormontherapie bei Jetlag oder Schichtarbeit.

Bild: Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie/Mirve Evrin

Göttingen - Der lästige Jetlag bei Reisen über mehrere Zeitzonen kann vermindert werden. Zumindest bei Mäusen ist das Forschern vom Max-Planck-Institut für biophysikalische Chemie in Göttingen gelungen, berichtet das "Journal of Clinical Investigation". "Wir verabreichten den Versuchstieren ein Medikament, das die Produktion eines Hormons der Nebenniere vorübergehend blockiert. Daraufhin verbesserte sich die Körperreaktion auf die Zeitverschiebung", so Studienleiter Gregor Eichele.

Hintergrund

Unser Körper spielt nach einem Flug über mehrere Zeitzonen scheinbar verrückt. Mattheit und Angespanntheit begleiten den aus dem Takt gekommenen Schlafrhythmus und tagsüber befällt die Müdigkeit, die in der Nacht ausbleibt. Oft erst nach Tagen gelingt dem Körper die Anpassung an die neue Zeit. Diese Verzögerung geht auf körpereigene Uhrwerke zurück, die normalerweise den Körperrhythmus stabil halten und dafür sorgen, dass die inneren Uhren bei spontan geänderten Lichtverhältnissen - etwa bei Aufdrehen des Lichts in der Nacht oder im dunklen Kinosaal - nicht verrückt spielen. Bei der unnatürlichen Situation von Reisen wird dieser Schutz jedoch zur Last.

Für die Anpassung an die geänderte Umgebungszeit muss der Körper allerdings nicht nur eine, sondern viele innere Uhren nachstellen. "Es gibt Uhren für jedes einzelne Organ, und deren Räderwerk sind die sogenannten Uhrengene. Manche Organe sprechen direkt auf Licht an und adaptieren sich beim Jetlag schnell, andere wie etwa der Pankreas reagieren auf Stoffwechselsignale und synchronisieren langsam", berichtet Eichele. Als eine Folge dieser unterschiedlichen Umstellung gerät die Koordination der einzelnen Körperfunktionen beim Jetlag aus den Fugen.

Manipulation

Will man diese Anpassung verändern, so muss man die Uhr der Nebenniere manipulieren, wie die Forscher nun zeigen. "Die Nebenniere hat eine bedeutende Rolle für die Steuerung weiterer Uhren wie etwa jene von Leber, Niere und Gehirn. Sie ist einerseits über Hormone und neuronale Pfade mit dem Hypothalamus und in weiterer Folge mit dem Auge verbunden, was sie besonders lichtempfindlich macht. Andererseits erzeugt sie morgens wichtige Hormone, wie etwa das für Gedächtnisprozesse anregende Cortisol oder das Adrenalin, das zur schnellen Reaktion befähigt", so der Gen- und Verhaltensforscher.

Schaltete man bei Mäusen die Uhr der Nebenniere aus, passten sich die Tiere viel früher an Veränderungen der äußeren Zeit an. Verabreicht wurde dazu Metyrapon, ein zugelassenes Medikament für die Behandlung der Überproduktion von Gluko- und Mineralkortikoiden. Da die Nebenniere eine Reihe wichtiger Hormone, darunter Adrenalin und Noradrenalin sowie Kortikosteron (bzw. Kortisol beim Menschen), produziert, ist ihre Abschaltung bei Menschen nicht empfohlen. Es geht auch schonender, fand das Forschungsteam heraus: "Für eine schnellere Anpassung unserer Nager bei Jetlag war vor allem die tageszeitabhängige Ausschüttung des Kortikosterons entscheidend", erklärt Eichele. Gaben die Wissenschaftler Mäusen den Wirkstoff Metyrapon, verschob sich ihr Kortikosteron-Rhythmus - und darüber ihr Schlaf-/Wachrhythmus. "Erhielten Mäuse zum richtigen Zeitpunkt vor dem Jetlag Metyrapon, passten sich die Nager schneller an einen verschobenen Tag-/Nachtrhythmus an. Während das häufig verwendete 'Schlafhormon' Melatonin primär müde macht und daher besser bei Ost- als bei Westflügen geeignet ist, lässt sich mit Metyrapon die innere Uhr von Mäusen sowohl vor- als auch zurückdrehen", so Silke Kießling.

Weitere Forschungen nötig

"Ob derselbe Effekt auch beim Menschen wirkt, wissen wir noch nicht", macht Eichele gleich klar und kündigt für die Zukunft entsprechende Studien an. Auch mögliche Nebenwirkungen gilt es zu erforschen, wobei sich bei Mäusen beim Verabreichen von Metyrapon eine anfängliche Schlappheit zeigte. Vorteile hätte eine Hormontherapie jedenfalls nicht zuletzt für Geschäftsreisende und Schichtarbeiter. (pte/red)