Günter Tolar in der Okto-"Queer Lounge": 1969 wurde er nach einem Kuss verhaftet.

Foto: Okto

In der Nacht von 27. auf 28. Juni 1969 schlägt mit der Razzia im New Yorker Szenelokal Stonewall Inn und anschließenden gewalttätigen Auseinandersetzungen die Geburtsstunde der Schwulen- und Lesbenbewegung. Steinzeitmäßig ging es in Wien zu, erinnerten sich Schwule und Lesben 2009 im Rahmen des Projekts Stonewall in Wien, das gemeinsam von den Grünen Andersrum Wien und Qwien veranstaltet wurde. Okto zeigt am Samstag um 20 Uhr die gesammelten Interviews in der Reihe Queer Lounge.

Günter Tolar kam 1954 nach Wien. In den frühen Sechzigerjahren ging er eine Woche durch die Wiedner Heumühlgasse, bis er sich in die Rote Lampe wagte, bis heute Szenelokal für Schwule. Damals hatte man Decknamen, erzählt der ehemalige Fernsehmoderator: Fliege, Motte, Täubchen, damit man im Falle einer Razzia den anderen nicht kennt und nicht verraten kann. Tolar hatte keinen, er war "der Günter" . Ein Kuss mit seinem damaligen Liebhaber brachte ihm 1969 eine Nacht im Gefängnis ein. Beim Rausgehen sagte der Wachmeister: "Gö, es scheißts ma do ned am Tisch." Der brave Polizeimann fürchtete Nachahmungstaten im Umfeld der Uni-Aktion von Brus.

Rund 25 Zeitzeuginnen und Zeitzeugen - darunter die ehemalige Szene-Wirtin Connie Lichtenegger, der Betreiber der Löwenherz Buchhandlung Veit Georg Schmidt, die Balkan-Partyqueen Sabrina Andersrum erzählen, fast alle haben ihre Diskriminierungsgeschichten. Entstanden sind so Wortdokumente, die den Mief der Zeit aufarbeiten. Und zwar so, dass es weh tut: Am Jugendgerichtshof anno 1970 wurde die Grüne Birgit Meinhard-Schiebel strafversetzt: Als bekannt geworden, dass sie sich in eine Kollegin verliebt hatte: "Wie in der Schule" , sagt Meinhard-Schiebel. (prie, DER STANDARD; Printausgabe, 26./27.6.2010)