Graz - Es war ein politischer Amoklauf, der die Partei am Tag danach in einer Schockstarre verharren ließ. Man schämte sich.
SPÖ-Landeschef und Landeshauptmann Franz Voves hatte am Donnerstagabend das angerichtete Chaos in seiner zuletzt führungslosen Grazer Partei mit einem Machtwort beendet. Die erst vor wenigen Tagen zur Parteivorsitzenden gewählte Stadträtin Elke Edlinger musste wieder abdanken, ihr Kontrahent, der frühere Parteichef und Stadtrat Wolfgang Riedler, der den Parteivorsitz in einer Kampfabstimmung gegen Edlinger verloren hatte, musste ebenfalls gehen.
Als "Masseverwalter" der Partei wurde Klubchef Karl Heinz Herper, ein von allen akzeptierter Politprofi, eingesetzt. Er übernimmt Riedlers Stadtratsposten bis Herbst. Der Abgang von Riedler und Edlinger, die sich einen selbstmörderischen Kampf um die Macht in der SPÖ geliefert hatten, offenbart aber ein weiteres Problem der SPÖ: gähnende Leere. Es sind weit und breit keine Talente vorhanden, die die Partei übernehmen könnten. Bis Mitte nächster Woche sollen zumindest Weichen gestellt werden.
Ganz ungelegen dürfte Franz Voves das Chaos in Graz aber nicht gekommen sein. Jetzt konnte er eingreifen. Voves versucht seit Jahren, die Grazer Baustelle zu sanieren. Ohne Erfolg, denn die Stadtpartei agiert statutarisch völlig autonom, jeder Zuruf von Voves, die Partei neu aufzustellen, wurde als Angriff gewertet und abgeschmettert. Daher hielt er sich all die Jahre beleidigt zurück und sah zu, wie die Grazer SPÖ von lichten Höhen unter 20 Prozent abstürzte.
Der Niedergang hatte mit Alfred Stingl begonnen. Der Langzeitbürgermeister hatte sich in seinen letzten Regierungsjahren von der Partei entfernt und dem aufstrebenden Siegfried Nagl, dem heutigen ÖVP-Bürgermeister, mit dem er sich besser verstand, zugewandt. Die Partei drängte ihn, den Parteivorsitz an Tatjana Kaltenbeck abzugeben. Das war 1998. Sie war aber nur Stadträtin, Stingl blieb der eigentlich starke Mann in der Partei. Als er 2003 ging, kam der glücklose Walter Ferk, der Kaltenbeck in einer Ur-Abstimmung den Parteivorsitz "wegnahm" .
Unter Ferk begann die Partei völlig auseinanderzudriften. Die SPÖ hatte kein Profil mehr, sie wurde von der frischen schwarz-grünen Stadtregierung in den Schatten gestellt. Edlinger wollte ihrer Partei jetzt ein neues Gesicht verpassen - nach dem Chaos hat sie es wohl verloren. (Walter Müller/DER STANDARD, Printausgabe, 26.6.2010)