Erwin Wurms aktuelle Ausstellung im Museum der Moderne in Salzburg: 36 Selbstporträts als Essiggurkerl.

Foto: VBK, Wien 2010

Salzburg - Aufrecht, gekrümmt, frech, individuell und manchmal auch obszön: Erwin Wurms in Acryl gegossene und naturalistisch bemalte Essiggurkerln und Salatgurken haben fast menschliche Eigenschaften und Tugenden. Des Österreichers Affinität zum Essiggurkerl ist ja bekanntlich groß. Bei Wurm wird sie sogar zum Spiegel seiner selbst.

36 Selbstporträts als Essiggurkerl stehen als Unikate auf weißen Podesten. Das Gurkerl als Kunstobjekt, obwohl es nur den "Schönheitskoeffizienten von Krötenhaut" hat, wie es in der Begleitbroschüre heißt: ein (selbst)ironischer Kommentar zum übersteigerten Selbstdarstellungskult.

Mit dieser Installation aus dem Jahr 2008, die europaweit erstmals vollständig zu sehen ist, liefert Wurm humorvolle Einblicke in die Wesenswelt dieses landwirtschaftlichen Produkts: als zentraler Bestandteil österreichischer Jausenkultur. In Wurstsemmel, Herrengulasch oder zur Brettljause spiegelt sich die österreichische Seele. Keine Gurke gleicht der anderen, so wie kein Mensch dem anderen gleicht.

Wurm möchte seine Installation klugerweise nicht interpretieren, rät aber allen Österreichern, mehr Essiggurkerln zu essen.

Der Künstler, der sich praktisch selbst die "Gurke" verlieh, ist nicht auf eine Richtung festzulegen. Facettenreich setzt er sich mit Zeichnung, Fotografie und Videokunst auseinander, um den Skulpturbegriff über seine bisherigen Grenzen hinaus zu treiben. So sind in dieser Ausstellung einige seiner performativen Skulpturen, die One Minute Sculptures, zu erfahren: Jemand balanciert zwei Schreibstifte auf der Oberseite seiner Schuhe, Alltagsgegenstände auf einem Tisch werden aus ungewöhnlicher Kameraperspektive aufgenommen, Orangensaft rinnt durchs Bild. Bei Wurm, selbst Hauptakteur seiner Clips, wird alles Skulptur, sogar Gedanken.

Diese One Minute Sculptures bilden auch den Schlusspunkt einer weiteren Ausstellung im Museum der Moderne.

Österreichische Videokunst

Videorama - eine Kooperation mit der Kunsthalle Wien und dem Ursula Blickle Videoarchiv - zeigt in einem Querschnitt der letzten zehn Jahre aktuelle Positionen der österreichischen Medienkunst. In sechs Bereichen (Animating, Acting, Abstracting, Moving, Narrating, Transforming) sieht man, wie der Mensch des 21. Jahrhunderts in mediatisierten Räumen agiert, davon beeinflusst und manipuliert wird.

Realität und Virtualität verschmelzen, die Besucher ertrinken geradezu in dieser Bilderflut eng nebeneinander gereihter Clips. Die mitunter furchterregenden, aggressiven, aber auch stillen Arbeiten der 27 Künstler lassen den Betrachter verstört zurück. (Christian Weingartner, DER STANDARD/Printausgabe, 26./27.06.2010)