Wien - Eva ist acht Jahre alt und in Wien daheim. Und es geht ihr wie Daniela in Innsbruck, Gerhard in Linz oder Michaela in Graz. Sie alle haben bald wieder neun Wochen Ferien - und damit Zeit, Versäumtes nachzuholen.
Sport zum Beispiel. Denn während des Schuljahres gönnt das Unterrichtsministerium achtjährigen Kindern gerade einmal zwei Unterrichtseinheiten "Bewegung und Sport" - pro Woche. Das sind exakt 100 Minuten vorgeschriebene Bewegung, exklusive des Weges zur, der Zeit in der und des Weges von der Umkleidekabine zurück in die Schulklasse.
Dabei schreiben die von Experten in Österreich entwickelten "Bewegungsempfehlungen für gesundheitswirksame Bewegung" Kindern vor, jeden Tag "mindestens 60 Minuten" aktiv zu sein. Das vom Fonds Gesundes Österreich (FGÖ) veröffentlichte Dokument ist keine drei Monate alt, Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) war bei der Präsentation dabei. Die Umsetzung freilich, die eine vielfach geforderte tägliche Schulsportstunde erfüllen könnte, ist von der Motivation der Kinder und Eltern abhängig. Wie hoch diese ist, bescheinigen aktuelle internationale und nationale Studien unisono: Österreichs Kinder sind zu dick, essen viel zu viel, bewegen sich viel zu wenig.
"Noch nicht viel passiert"
Das Unterrichtsministerium setzt da lieber auf Outsourcing. Schon mehr Bewegung, aber eben nicht in der Schule. Gemeinsam mit dem Sportministerium versprach man Ende 2009, mehr auf den Vereinssport zu verweisen. "Viel passiert ist da aber noch nicht", sagt Christian Halbwachs von der Bundes-Sportorganisation (BSO). "Ich könnte jetzt nicht sagen, dass sportbegeisterte Kinder unsere Vereine mit Neuanmeldungen überschüttet haben."
Geplant ist, dass Vereine auch in den Schulalltag eingebunden werden - oder eben in freiwillige Sportstunden danach. In den Volksschulen wirken externe Sportlehrer direkt beim Projekt "Gesund & Munter" mit. In zehn zusätzlichen Unterrichtsstunden (pro Jahr!) wird auf das Thema Bewegung aufmerksam gemacht, die Kinder müssen mit ihren Lehrern und Eltern ein "Bewegungstagebuch" führen. Das Ziel ist es, Eltern und Kinder auf die Möglichkeit von außerschulischen Aktivitäten, wie etwa in einem Sportverein, hinzuweisen.
Mittlerweile machen alle Volksschulen mit. Der Projektanfang war aber schwierig, weil einige Schullehrer vor allem Mehrarbeit auf sich zukommen sahen, erzählt Halbwachs. "Wir waren schon froh, dass die weniger sportbegeisterten Lehrer nicht aktiv dagegen gearbeitet haben." Der Sportfunktionär will die Schule mit ihren bescheidenen Turnstunden nicht aus der Pflicht nehmen. "Die Schule muss in puncto Bewegung Verantwortung übernehmen. Nicht nur in Mathematik oder Englisch. Denn Kinder freiwillig zu mehr Sport zu bringen ist verdammt schwer."
Wie das ab der fünften Schulstufe gelingen soll, erklärt das Unterrichtsministerium mit schulautonomen Stunden, die die Schule auch für Sport verwenden kann, und mit der Aufwertung der organisierten Schulsportbewerbe. Unter dem Titel "Schul Olympics" werden die Meister in zwanzig Sportarten gesucht, jährlich gelangen zehn zur Austragung. Im fast abgelaufenen Schuljahr waren es Orientierungslauf, Cross Country, Handball, Hallenhockey, Snowboard, Volleyball, Geräteturnen, Badminton, Klettern und Leichtathletik. Dazu kommen noch die etablierten Schülerliga-Bewerbe Fußball und Volleyball und die Postliga Mädchenfußball.
"Durch die Schul Olympics", sagt deren Geschäftsführer Rafael Dobler, "wird in den Schulen aber nicht mehr Sport betrieben." Wollen Schüler an einem Bewerb teilnehmen, müssen sie auf das Wohlwollen ihrer Schule und das Engagement ihrer Turnlehrer hoffen. Mehr Sportstunden gibt es dafür nicht.
Eva, Daniela, Gerhard und Michaela übrigens freuen sich schon auf die fünfte Schulstufe. Da gibt es dann tatsächlich 200 Minuten Sport - pro Woche. (David Krutzler, DER STANDARD, Printausgabe, Samstag, 26. Juni 2010)