Klagenfurt - Mit dem Autor und Schauspieler Christian Fries ist am Samstag der dritte Lesetag bei den 34. Tagen der deutschsprachigen Literatur im Klagenfurter ORF-Theater fortgesetzt worden. Er las einen Auszug aus einem Kurzroman, der bei den Juroren nur teilweise Zuspruch fand. Verena Roßbacher beschloss mit ihrem als "hochmanieristisch" bezeichneten Text den Wettbewerb und löste heftige Debatten aus.

Fries nannte seinen Auszug "Hutmacher, privat", der Kurzroman heißt "Der Reich'sche Ansatz". Der Autor mischt eine Familiengeschichte mit seinen Karriere-Ambitionen, es ist ebenso viel von Sex die Rede und den Problemen, die der Protagonist damit hat wie von Nietzsche, Freud und Wilhelm Reich, quasi eine literarische Ausgestaltung diverser Ansätze der Psychoanalyse, ein hektischer, atemloser Text, den Fries auch entsprechend vortrug.

Hubert Winkels kritisierte, der Autor habe dem Publikum "Pointe um Pointe, Kalauer um Kalauer um die Ohren gehauen". Man sei nach kurzer Zeit völlig erschöpft und am Ende verdrossen. Meike Feßmann meinte, der Vortrag von Fries habe dem Text geschadet, im Text ernsthaft angesprochene Probleme seien durch den Vortrag zu Kalauern verkommen. Für Karin Fleischanderl war es zu viel an "Wuchteldruckerei". Alain Claude Sulzer hatte ein "Nicht-Gefühl", was die Figuren betreffe, die ihm der Autor nicht näher bringe. Paul Jandl verteidigte die "unterhaltsame Groteske" des von ihm vorgeschlagenen Autors, Burkhard Spinnen sah einen Fehler des Autors, der darin bestehe, "dass er Highlights komponiert hat". Er fühle sich betrogen um einen tatsächlichen Auszug aus dem Buch. Daraufhin meldete sich der Autor zu Wort, er verteidigte die Auswahl der Kapitel und bestritt, Highlights herausgesucht zu haben.

Schauspielernd war auch die Lesung von Verena Roßbacher angelegt. In ihrem Romanauszug "Ein Alphabet der Indizien" wird eine offenbar stattgefundene Vergewaltigung über einen Umweg beschrieben, nämlich als Umdeutung der unbefleckten Empfängnis der Maria - sie erhält Besuch vom Erzengel Gabriel, der ihr im Auftrag Gottes ein Kind machen soll. Sprachlich opulent präsentierte Roßbacher Jelineksche Wortkaskaden voll mit Metaphern und Bildern, kam der Text wie ein rasch fließender Bewusstseinsstrom, der schier atemlos machte.

Als eine auf "Hochtouren laufende Sprachmaschine" bezeichnete Fleischanderl die Autorin, allerdings erfasse diese Sprache keinen Gegenstand und sei verdammt dazu, im Leerlauf zu laufen. Für Meike Feßmann ist es ein "grauenhaft manierierter Text", der gegenüber dem Leser abgeschlossen bleibe. Sulzer monierte, dass bei der Lesung nach einem Zufallsprinzip Erregung generiert worden sei. Gewisse Passagen habe er beim Lesen in Ruhe aber "sehr interessant" gefunden. Jandl gestand, es habe ihm "sehr bald gelangt". Winkels sah ein permanentes Sprengen der Logik durch die Figuren, wo Maria "Sexworte ins Ohr geträufelt werden". Spinnen unterstrich, der Text unternehme den Versuch, den Menschen beim Denken zuzuschauen, was zu den schwierigsten Dingen der Literatur gehöre. Jandl widersprach, es handle sich eigentlich um das genaue Gegenteil. Hildegard Keller vermisste eine gewisse Textorganisation, was die Ursache dafür sei, dass der Text "unheimlich ermüde".

Damit waren die Lesungen abgeschlossen, am Sonntag um 11.00 Uhr wird die Jury zusammentreten, um über die diesjährigen Preisträger abzustimmen. (APA)