Die Donau - einigendes Band, Lebensader, Aorta eines halben Kontinents. Auf Konferenzen wie dem Göttweiger Europa-Forum sind solche mythischen Beschwörungen wohlfeil. Dichter und Komponisten haben den Mythos seit Urzeiten gepflegt und zur weiteren, auch politischen, Verwertung aufbereitet.
Aber in der Realpolitik taugt der Mythos wenig. Auch das zeigte sich im diesjährigen Europa-Forum, das der Donauraum-Strategie der EU gewidmet war. Ausgerechnet Ungarn, das dieses Projekt zum Schwerpunkt seiner EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2011 machen will, glänzte durch Abwesenheit. Über die Gründe darf man spekulieren. Eine Rolle dürfte wohl die Kritik gespielt haben, die Bundeskanzler Faymann jüngst gegenüber dem neuen ungarischen Premier Orbán wegen der unbedachten Äußerungen von Budapester Regierungspolitikern zur Budgetlage vorbrachte. Diese bewirkten bekanntlich eine weitere (vorübergehende) Schwächung des Euro.
Trotz ist zur Vertrauensbildung ungeeignet. Nationales Auftrumpfen ebenso. Die richtige Antwort auf Ungarns umstrittenes Doppelstaatsbürgerschaftsgesetz gaben jüngst die slowakischen Wähler. Sie erteilten nationalistischen Scharfmachern im slowakischen wie im ungarischen Lager eine Absage. Jetzt liegt es an Budapest, das Signal aufzugreifen. Ungarns EU-Vorsitz kann neue Dynamik in den Donauraum bringen - oder neue Blockaden. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, Printausgabe 28.6.2010)