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Ein US-Soldat im Gespräch mit afghanischen Kindern.

Foto: Reuters/Denis Sinyakov

Washington/Toronto/Kabul - Nach der Ablösung von Stanley McChrystal als Top-Kommandant der Internationalen NATO-Schutztruppe ISAF in Afghanistan mehren sich Zweifel an einem raschen Abzug der Soldaten aus dem Land. Zu dem von US-Präsident Barack Obama angepeilten Termin Juli 2011 werde es wahrscheinlich keinen größeren Rückzug geben, sagte Obamas ehemaliger Afghanistan-Berater Bruce Riedel dem deutschen Nachrichtenmagazin "Der Spiegel".

Riedel bezieht sich unter anderem auf Aussagen von McChrystals designiertem Nachfolger, General David Petraeus, vor einem Ausschuss des US-Senats Mitte Juni. Demnach sei das geplante Abzugsdatum abhängig von den Bedingungen im Felde. Auch die US-Medien zweifeln zunehmend, dass der Termin nach Verzögerungen in dem Anti-Terror-Krieg noch zu halten ist. So werten sie es als schlechtes Zeichen, dass die geplante wichtige Militäroffensive gegen die radikal-islamischen Taliban in ihrer Hochburg Kandahar zuletzt vorschoben werden musste.

Nach der Absetzung von McChrystal hatte Obama erklärt, die Afghanistan-Strategie und der Abzugstermin blieben auch nach dem Personalwechsel unverändert. Später konkretisierte er, dass der Juli 2011 den Beginn einer Übergangsphase markiere. Es sei niemals gesagt geworden, dass "wir dann das Licht ausmachen und die Tür hinter uns schließen".

Obama: "Wir glauben, dass wir die richtige Strategie haben."

Erstmals äußerte sich auch der britische Premierminister David Cameron zu einem Fahrplan für den Truppenabzug. Er wolle seine 10.000 Soldaten bis 2015 nach Hause holen, sagte er Medienberichten zufolge beim G-8-Gipfel in Toronto. "Wir können da nicht noch fünf weitere Jahre bleiben." Bei einem Treffen mit Cameron am Rande des Gipfels räumte Obama ein, dass der Krieg derzeit in einer schwierigen Phase sei. "Doch wir glauben, dass wir die richtige Strategie haben." Die G-8 - die USA, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Russland und Gastgeber Kanada - entwarfen das Szenario eines Abzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan innerhalb von fünf Jahren. Eine für Juli in Kabul geplante Konferenz sei ein wichtiger Schritt für die Überprüfung von Fortschritten bei der Ausbildung von mehr als 100.000 zusätzlichen afghanischen Sicherheitskräften bis Ende kommenden Jahres, die im Jänner vereinbart wurde, hieß es in der Abschlusserklärung.

Obama hatte sich nach abfälligen Äußerungen McChrystals über US-Regierungsmitglieder von seinem bisherigen Oberkommandierenden in Afghanistan getrennt. In einem Bericht der britischen Zeitung "The Independent" hieß es unter Berufung auf "Militärkreise", dass der General auch wegen seiner pessimistischen Einschätzung der Lage in der Konfliktregion gehen musste. Dem Bericht zufolge zeichnete McChrystal wenige Tage vor seiner Abberufung in einem Briefing der NATO-Verteidigungsminister ein äußerst düsteres Bild von der Lage in Afghanistan. Unter Berufung auf vertrauliche Militärdokumente habe der Oberkommandierende die Minister davor gewarnt, in den kommenden sechs Monaten Fortschritte bei dem Einsatz zu erwarten. Der General soll auch ernsthafte Bedenken über die Effektivität und die Korruption innerhalb der afghanischen Verwaltung geäußert haben. Obama habe das Briefing als Vorwand genutzt, um den Kritiker zu feuern.

Am Wochenende mindestens acht ISAF-Soldaten getötet

Bei Anschlägen und einem Angriff in Afghanistan sind am Wochenende mindestens acht Soldaten der internationalen Schutztruppe ISAF getötet worden. Wie die NATO-geführte ISAF mitteilte, starben im Süden des Landes vier ausländische Einsatzkräfte bei der Explosion von Sprengsätzen. Bombenanschläge im Osten forderten das Leben von zwei NATO-Soldaten. Zwei weitere wurden in der Region bei einem Überfall von Islamisten getötet. Zur Identität der Opfer äußerte sich die ISAF wie üblich nicht.

Bei einer Explosion in einer Bombenwerkstatt der Taliban der Provinz Paktika wurden mindestens 15 Aufständische getötet. Wie das Innenministerium in Kabul am Sonntag mitteilte, waren die Männer in einer Moschee gerade mit der Herstellung von Sprengsätzen beschäftigt, als einer davon detonierte. Der Zwischenfall habe sich bereits am Freitag ereignet, hieß es. Afghanische und internationale Truppen töteten am Samstag südlich von Kabul einen Taliban-Kommandanten. Bei einem den US-Streitkräften zugeschriebenen Raketenangriff sind in der pakistanischen Region Nord-Waziristan mindestens drei Menschen getötet worden. Die Raketen schlugen auf einem Gelände in dem Dorf Tabbi Tolkhel ein, das von Aufständischen genutzt wurde.

Karzai: Ausland und organisiertes Verbrechen für Drogenproblem verantwortlich

Der afghanische Präsident Hamid Karzai hat am Samstag sieben Kandidaten für sein Kabinett benannt. Darunter ist auch ein Nachfolger für den wegen der Sicherheitspannen bei der Friedens-Jirga gefeuerten Innenminister Hanif Atmar, wie ein Sprecher des Parlaments sagte. Neuer Innenminister soll nach dem Willen von Karzai Stabschef Bismullah Mohammadi werden. Karzai hat die internationale Gemeinschaft aufgefordert, sein Land in Sachen Drogenhandel nicht mehr an den Pranger zu stellen. Es stimme zwar, dass Afghanistan ein Drogenproblem habe, sagte er am Samstag vor Hunderten Gästen bei einer Veranstaltung zum internationalen Anti-Drogen-Tag in Kabul. Aber verantwortlich dafür seien das Ausland und das organisierte Verbrechen. (APA/apn)