Mahler mit Muse: Stimmungsbilder des Fin de Siècle.

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Die Welt hat Gustav Mahler vor 150 Jahren erstmals vernommen, damit er ihr langsam und unerlöst tönend wieder abhandenkommen konnte. Die aufbrausende Gedenkmaschinerie bedenkt ihn oft lieber mit romantischer Unterstellung denn als Spiegel vormoderner Niedergangs- und Aufbruchsstimmung. Davon nicht frei, aber dies um eine ungekannte Perspektive bereichernd, folgt Regisseurin Beate Thalberg dem Blick einer Muse auf den Tonkünstler.

Die Bratschistin Natalie Bauer-Lechner begleitete Mahler in Gedanken wie in ihrem Tagebuch, in persona nur bis zur Vermählung mit Alma Schindler. Nicht als Geliebte, "nicht erleuchtet, aber auch nicht geblendet von flammender Leidenschaft", wie sie formuliert. Niemand kannte den schüchternen, verrückten, den kränklichen, beim Dirigieren anmutigen, oft tief hoffnungslosen Mahler wie sein "Tintenfischl", seine unermüdliche Chronistin. Sie zog alle Register, um Wien auf den Verwirrten vorzubereiten, um ihn von seiner Liebe in Hamburg wegzuholen. Inmitten der Rückwärtsschau des neuen Historismus-Boulevards, der Ringstraße, sollte sich sein Hoffen, als "Gott der südlichen Zonen", als Wiener Hofoperndirektor, moderne Töne anzuschlagen, erfüllen.

Gegen Alma Schindler war Natalie machtlos: "Ich wollte ihn heiraten, habe es aber nie gesagt", so das Drama der Muse.

Thalbergs mitreißend einfach komponierte Doku beschränkt sich auf Tagebuchzitate vor einem Spätromantik-Videoclip, dem die Schauspieler Petra Morzé und Robert Ritter ihre fein abgestimmte Mimik beistellen. (Alois Pumhösel/DER STANDARD; Printausgabe, 28.6.2010)