Über das Gespräch wurde Stillschweigen vereinbart, es gab keine Fotos und kein Kommuniqué. Allerdings ist wahrscheinlich, dass bei dem Treffen des US-Präsident Barak Obama mit dem türkischen Premier Recep Tayyip Erdogan am Wochenende in Toronto die Turbulenzen zwischen der Türkei und Israel der wichtigste Punkt auf der Agenda waren.

Man werde den Vorfall um die "Gaza-Flotte", bei dem Ende Mai neun Türken von israelischen Soldaten getötet wurden, nicht auf sich beruhen lassen, hatte Erdogan zuvor angekündigt. Am Montag wurde erstmals einer israelischen Maschine der Flug über die Türkei untersagt. Der Luftraum der Türkei ist seither für israelische Linien gesperrt.

Bisher hat die türkische Regierung die diplomatischen Beziehungen zu Israel nicht abgebrochen. Der türkische Botschafter wurde jedoch aus Jerusalem nach Ankara zurückgerufen. Gemeinsame Militärmanöver, die geplant waren, wurden abgesagt. Laufende Waffengeschäfte werden allerdings noch abgewickelt.

Erdogan hat einen ganzen Katalog von Forderungen an Israel aufgestellt, bevor sich das Verhältnis zwischen beiden Ländern wieder normalisieren kann. Dazu gehört an erster Stelle eine Entschuldigung für die getöteten Zivilisten, Entschädigung für die Angehörigen, eine internationale Untersuchung des Vorfalls, die Freigabe der beschlagnahmten Schiffe und eine Aufhebung der Gaza-Blockade. Erleichterungen für die Bewohner des Gazastreifens genügen Ankara ausdrücklich nicht.

Türkische Medien spekulierten nun, Erdogan würde sich bei der radikalislamischen Hamas, die den Gazastreifen regiert, dafür einsetzen, dass der bislang immer wieder gescheiterte Austausch des israelischen Soldaten Gilad Shalit gegen palästinensische Gefangene in Israel möglichst bald zustande kommt. Erdogan versuche zurzeit, sein Image im Westen wieder aufzupolieren und seine Rolle als Vermittler imNahost-Konflikt zu betonen. (Jürgen Gottschlich aus Istanbul/DER STANDARD, Printausgabe, 29.6.2010)