Wien - Der Schutz der Drogenkonsumenten vor der HIV-Infektion ist aus Sicht der Verantwortlichen in den vergangenen beiden Jahrzehnten weitgehend gelungen. "Bei der HIV-Prävention ist Wien extrem erfolgreich", so der Drogenbeauftragte Alexander David im APA-Interview selbstbewusst. Dies liege am Ziel der Harm Reduction, der Schadensminimierung, das man seit zwei Jahrzehnten verfolge, so Drogenkoordinator Michael Dressel. Ein weiteres Element könnte die Einführung intravenöser Substitution sein, die derzeit geprüft wird.

Bis vor zwanzig Jahren habe die Sicht vorgeherrscht, dass der Leidensdruck der Betroffenen nur groß genug werden müsse, damit sie zum Aufhören gezwungen seien. Im Fokus stehe heute hingegen, dass es den Personen entsprechend ihrer aktuellen Situation möglichst gut gehe, was im Infektionsbereich nicht nur die HIV-Prävention betreffe, sondern die wesentlich infektiösere Virus-Hepatitis, wo Wien nur im europäischen Durchschnitt liege. "Für uns stellt sich heute nicht die Frage, ob jemand clean werden will, sondern, ob sich seine Lebenssituation verbessert", umschreibt Dressel das Vorgehen.

Spritzentausch und Substitution

Ein wesentliches Element sei hier der eingeführte Spritzentausch einerseits und die Substitution andererseits. Aber auch die Wohnraumversorgung und die Niedrigschwelligkeit der Angebote seien ein Baustein. Durch gezieltes Vorgehen würden mittlerweile auch Drogenkranke im Spital adäquat behandelt und blieben dadurch länger. Gute Erfahrungen habe man auch mit der Substitution durch niedergelassene Ärzte gemacht, die europaweit noch lange kein Konsens und auch in den meisten anderen Bundesländern lange nicht institutionalisiert sei.

40 Prozent der österreichweit drogenkonsumierenden Menschen fänden sich in Wien, aber drei Viertel der Substituierten. "Es gibt einen enormen Zuzug der Drogenkranken in die Großstadt", so David. "Wenn es um die Sucht geht, dann wird ideologisiert", bedauert Dressel. In Wien stehe die Sinnhaftigkeit des Spritzentauschs hingegen mittlerweile völlig außer Frage, wobei sich bewährt habe, dies mit anderen, begleitenden Angeboten zu kombinieren. "Entsprechend hoffen wir, im Rahmen der Welt-Aidskonferenz auch den Impuls geben zu können, dass das möglich ist", so Dressel.

Keine Konsumräume

Konsumräume als weitere Maßnahme, um die sich bei rund fünf Prozent der intravenös Konsumierenden eingependelte HIV-Rate weiter zu senken, wird es in Wien weiterhin nicht geben. Die Verwendung sterilen Spritzbestecks sei mittlerweile flächendeckend implementiert, und das Teilen von Nadeln quasi gestoppt, wenn man die Rücklaufquote beim Spritzentausch von über 95 Prozent betrachte. "Deshalb glaube ich, dass der Effekt von Konsumräumen gering wäre", so Dressel.

Eine andere Maßnahme wird hingegen sehr wohl überlegt. "Wir denken über die intravenöse Substitution nach", berichtete David. Derzeit läuft dazu eine Machbarkeitsstudie, deren Ergebnisse im Sommer vorliegen sollen. "Wir wollen es nicht unbedingt mit Heroin machen", stellte Dressel jetzt bereits klar. Schließlich habe man mit den retardierenden Morphinen gute Erfahrungen gesammelt. Bei der laufenden Studie gehe es sowohl um die rechtlichen Rahmenbedingungen, aber auch um die Frage der Kosten oder des Personals. Ob die Umsetzung bei positiver Prognose gegebenenfalls bereits 2011 erfolgen könne, lasse sich derzeit noch nicht sagen. (APA)