Österreichs Pfarrer rufen nach Reformen. Das ist das Ergebnis einer Studie der ORF-Medienforschung und GfK Austria im Auftrag der Sendung "kreuz und quer". So gaben 52 Prozent der Befragten an, anders zu denken als die Leitung der katholischen Kirche, rund zwei Drittel sagten, die Kirche solle sich der modernen Welt mehr öffnen. Den Pflichtzölibat abgeschafft wissen wollen 80 Prozent, 51 Prozent verlangen die Weihe von Frauen zu Priestern.

Mittels Telefoninterviews wurden 500 Pfarrer im April und Mai zu ihrer Lebens- und Arbeitssituation befragt, das Ergebnis erscheint am 1. Juli unter dem Titel "Wie geht's, Herr Pfarrer?" (Styria Verlaq) in Buchform. Der Pastoraltheologe und Religionsforscher Paul M. Zulehner leitete und interpretierte die Umfrage. Das markanteste Ergebnis: Zwischen den Pfarrern und ihrer Kirchenleitung liegt offensichtlich eine tiefe Dissonanz.

Laut Studie sehen 74 Prozent der Pfarrer, dass auch das Kirchenvolk in wichtigen Fragen anders denkt als die Kirchenführung. Rund zwei Drittel aller Befragten (64 Prozent) sagen, die Kirche soll sich der modernen Welt mehr öffnen. Gleichzeitig sagen 39 Prozent, dass sich die Kirche von der modernen Welt deutlicher unterscheiden muss. 86 Prozent der Pfarrer sind der Meinung, dass die Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils entschlossener durchgeführt werden sollen. Bei der Befragung stellte sich heraus, dass vor allem jüngere Pfarrer modernitätsskeptischer sind.

Missbrauchsfälle als Thema

Auch die Missbrauchsfälle in der Kirche waren ein zentraler Punkt der Umfrage. Dazu meinen 76 Prozent der Pfarrer, dass dieses Thema für die Kirche ein größeres Problem ist als für andere Institutionen. Zwei Drittel stellen der Kirchenleitung in Österreich im Umgang mit den Missbrauchsfällen ein gutes Zeugnis aus, nur 11 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass die Kirchenleitung in Österreich schlecht mit dem Problem umgeht. Hingegen ist mehr als die Hälfte der Meinung, dass die Kirchenleitung in Rom schlecht mit dem Problem umgeht. 80 Prozent der befragten Pfarrer sind außerdem der Meinung, dass sexueller Missbrauch zum Anlass genommen werden soll, grundsätzlich über den kirchlichen Umgang mit Sexualität nachzudenken.

Nicht mehr zeitgemäß sehen die heimischen Geistlichen auch ihre Berufsausbildung: 92 Prozent der befragten Pfarrer sind der Meinung, dass dabei mehr Wert auf menschliche Reife zu legen ist. Drei Viertel der Pfarrer klagen außerdem über Überlastung. Im Zuge des Priestermangels werde den Pfarrern zu viel Arbeit aufgelastet. Knapp die Hälfte der befragten Pfarrer erlebt die Kirchenleitung dabei "hilflos-visionslos". (APA)