Wien - Internationale Hilfsorganisationen sprechen von einem "Treffen der Versprechensbrecher", "einem Skandal" - und am Wochenende musste sogar EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso zugeben, dass sich die Industrienationen nicht an ihre Zusagen halten.

Warum all die Aufregung? Beim G-8-Gipfel im schottischen Gleneagles hatten die acht mächtigsten Industrienationen 2005 zugesagt, ihre Entwicklungshilfe bis 2010 um 50 Milliarden US-Dollar (40,7 Mrd. Euro) zu erhöhen. Nun belegen die jüngsten Statistiken der Organisation für Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD), zwar dass der Westen seine Entwicklungshilfe zuletzt trotz Krise nicht zurückgefahren hat.

Aber inzwischen ist auch klar geworden, dass die G-20 ihr ambitioniertes Ziel von Gleneagles verfehlt haben. Laut der britischen Hilfsorganisation Oxfam haben die G-8-Staaten ihr Ziel um 20 Milliarden Dollar verfehlt - die G-8 räumten immerhin eine Differenz von zehn Milliarden ein.

Was die Entwicklungshilfeorganisationen noch mehr erzürnt, ist, dass die G-8 die Mittelerhöhung in Kanada gar nicht mehr im Abschlussdokument des Gipfels erwähnen. Indem das Ziel nicht neuerlich bekräftigt wurde, könnten die Entwicklungsländer jetzt nicht mehr mit dem noch ausstehenden Geld rechnen, sagte Jörn Kalinski, der Sprecher von Oxfam. "Man rettet keine Leben, indem man gebrochene Versprechen hinter Schall und Rauch versteckt." Über dieses Versagen der G-8 könne auch die neu verkündete Muskoka-Initiative im Kampf gegen Kinder- und Müttersterblichkeit nicht hinwegtäuschen.

Jede Stunde tausend Tote

Die G-8-Staaten hatten für die Initiative fünf Milliarden US-Dollar bereitgestellt. Weitere 2,3 Milliarden kommen von anderen Ländern und Stiftungen. Mit der Muskoka-Initiative sollen die beiden Millenniumsziele vorangebracht werden, den Tod von Kindern unter fünf Jahren bis 2015 um zwei Drittel zu reduzieren, bei Müttern um drei Viertel. Von allen der im Jahr 2000 beschlossenen Millenniumsvorgaben hinken die Staaten bei diesen beiden Punkten am meisten hinterher.

Doch international wurde auch an der Muskoka-Initiative Kritik laut. Hilfsorganisationen waren bitter enttäuscht, dass nicht mehr Geld zusammengebracht wurde. Jedes Jahr sterben in Entwicklungsländern fast neun Millionen Kinder unter fünf Jahren. Das sind jede Stunde etwa tausend. (szi, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.6.2010)