Wien - Wie in der Vorwoche angekündigt, hat die ÖVP dem Koalitionspartner SPÖ den Vorschlag für einen Antrag übergeben, mit dem die Unvereinbarkeitsbestimmungen für Verfassungsrichter geändert werden sollen. Der entsprechende Satz, mit dem dies nach den Vorstellungen der ÖVP künftig geregelt werden soll lautet:"Dem Verfassungsgerichtshof können Personen nicht angehören, die Organfunktionen in Kapitalgesellschaften innehaben."

Anlass für diese schärfere Regelung war die Nominierung der Verfassungsrichterin Claudia Kahr als Aufsichtsratsvorsitzende der Asfinag - der Standard berichtete. Diese Bestellung hatte hohe Wellen geschlagen; SP-Infrastrukturministerin Doris Bures hat die als parteinah geltende Verfassungsrichterin vorgeschlagen, die als ausgewiesene Verkehrsexpertin gilt und die Frauenquote in staatsnahen Unternehmen heben soll.

Die ÖVP argumentiert in ihrem Antrag, es sei kein Grund ersichtlich, warum es strenge Unvereinbarkeitsregeln für Richter an Zivil- und Strafgerichten und auch beim Verwaltungsgerichtshof gebe, nicht aber beim Verfassungsgerichtshof. Verfassungsrichter in Aufsichtsratsfunktionen von Kapitalgesellschaften seien "rechtspolitisch bedenklich". Wegen der möglichen wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen den beiden Funktionen könne es immer wieder zu Unvereinbarkeiten kommen, etwa bei Verfahren vor dem VfGH.

Am Dienstag werden die Clubobleute von SPund VP über den Antrag diskutieren. Es wird nicht erwartet, dass vor dem Sommer eine Entscheidung fällt. (ruz, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 29.6.2010)