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Fünf der zehn Verdächtigen: Von links nach rechts - Anna Chapman, Vicky Pelaez, 'Richard Murphy', 'Cynthia Murphy', Jose Lazaro'

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Idylle in Yonkers, N.Y: Das Haus von zwei mutmaßlichen russischen Spionen.

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New York - Nur eine Woche nach Dimitri Medwedews US-Besuch ist in den USA ist ein mutmaßliches Spionage-Netzwerk enttarnt worden, das bereits seit Jahrzehnten Informationen für Russland gesammelt haben soll. Wie das US-Justizministerium am Montag mitteilte, wurden zehn Verdächtige festgenommen, fünf von ihnen erschienen in New York vor einem Bundesgericht. Ein Mitglied der Gruppe wurde am Dienstag in Zypern verhaftet. Die zyprische Polizei habe am Dienstagmorgen einen 54-jährigen Kanadier am Flughafen von Larnaka festgenommen, als er ein Flugzeug nach Budapest nehmen wollte, verlautete aus Polizeikreisen. Gegen ihn lag ein Haftbefehl von Interpol vor.

Nach Zahlung einer Kaution von etwa 16.000 Euro, andere Quellen sprachen von 20.000 Euro, sei der von den USA Gesuchte wieder auf freien Fuß, musste aber seinen Pass abgeben. Er warte nun auf seine Auslieferung.

Moskau: "Rückfall in Kalten Krieg"

Das Außenministerium in Moskau hat die Festnahme von zehn mutmaßlichen russischen Spionen als Rückfall in den Kalten Krieg bezeichnet. Das US-Vorgehen sei unbegründet und verfolge unziemliche Ziele. Das Ministerium äußerte sein Bedauern darüber, dass die Festnahmen erfolgten, obwohl Präsident Barack Obama die Beziehungen zu Russland neu aufstellen wolle.

Am Samstag wurde einer der Verdächtigen festgenommen, nachdem er 5.000 Dollar, in einer Zeitung versteckt, in einem Park deponiert hatte. Den mutmaßlichen Spionen, die nach eigenen Angaben aus den USA, Kanada, Peru und Russland stammen, drohen bis zu 25 Jahre Haft.

Zehn Jahre überwacht

Die zehn mutmaßlichen Spione seien am Sonntag in den vier nordöstlichen US-Bundesstaaten New York, New Jersey, Massachusetts und Virginia festgenommen worden, teilte das Justizministerium mit. Neun von ihnen wird demnach auch Geldwäsche zur Last gelegt. Den Verdächtigen drohen fünf Jahre Haft wegen Verschwörung und weitere 20 Jahre Gefängnis wegen Geldwäsche.

Ein elfter Verdächtiger, der 55-jährige Robert Christopher Metsos, wurde am Dienstag auf dem Flughafen Larnaka festgenommen, als er nach Budapest fliegen wollte. Gegen eine Kaution von 20.000 Euro wurde er zwar freigelassen, muss sich aber in 30 Tagen wieder bei Gericht melden.

Die Bundespolizei FBI hatte die Verdächtigen nach eigenen Angaben mehr als zehn Jahre lang überwacht, sie in ihren Wohnungen und in Hotelzimmern abgehört, ihre Anrufe mitgeschnitten und ihre E-Mails gelesen.

Fünf der Verdächtigen wurden am Montag einem Bundesgericht in New York vorgeführt. Die anderen fünf Festgenommenen sollten Gerichten in Virginia und Boston im Bundesstaat Massachusetts vorgeführt werden. Der New Yorker Richter James Cott klagte Cynthia M., Juan L., Vicky P. und Anna C. zwar vorerst nicht offiziell an, setzte sie wegen Fluchtgefahr jedoch nicht auf freien Fuß.

Die Verdächtigen hatten laut Klageschriften angegeben, Bürger der USA, Kanadas oder Perus zu sein. Ihre tatsächliche Nationalität wurde zunächst nicht mitgeteilt. Der Anwalt der Verdächtigen Anna C. sagte nach der Anhörung, die 28-Jährige sei russische Staatsbürgerin. Sie sei erst seit kurzem in den USA und habe eine Arbeitserlaubnis bekommen, die ihr am Samstag wieder entzogen worden sei, führte der Jurist Robert M. Baum aus.

Eine der Festgenommenen, Vicky Pelaez, schreib Kolumnen für die spanischsprachige Zeitung "El Diario". Das Bundesgericht in New York setzte für Donnerstag eine weitere Anhörung zu Anträgen der Verdächtigen an, auf Kaution freigelassen zu werden. Außerdem wurde für den 27. Juli eine Vor-Anhörung zu den Vorwürfen angekündigt.

Ziel: Verbindung in Politik-Kreise der USA zu knüpfen

Die Verdächtigen waren nach Informationen der Bundespolizei FBI auf einer langfristigen Mission in den USA. Sie sollten demnach dem Hauptquartier des russischen Auslandsgeheimdienstes SVR Bericht erstatten. "Ihre Ausbildung, Bankkonten, Auto, Haus usw. - all dies dient einem Ziel: ihre Hauptmission zu erfüllen, das heißt Verbindungen in Politik-Kreise in den USA aufzutun und zu entwickeln", zitierte das FBI aus einer entschlüsselten Botschaft.

Die elf Verdächtigen sollten nach Angaben des FBI unter anderem Informationen über die US-Politik gegenüber Afghanistan und dem Iran sowie über einen damals geplanten Rüstungsvertrag zwischen Washington und Moskau sammeln. Sie sollten demnach regierungsnahe Kreise infiltrieren. Das FBI listete in seiner Klageschrift auch die Methoden des Netzwerks auf. Die Spione arbeiteten den Angaben zufolge mit verschlüsselten Botschaften, Bargeld sei ihnen von russischen Boten bei Aufenthalten in lateinamerikanischen Ländern übergeben worden. Bei Reisen nach Moskau und zurück in die USA seien die Spione zur Tarnung über Rom geflogen und hätten falsche Pässe benutzt.

Lawrow verärgert

Der russische Außenminister Sergej Lawrow hat verärgert auf die Spionagevorwürfe reagiert. Er erwarte nun Erklärungen, sagte Lawrow während eines Israel-Besuchs am Dienstag in Jerusalem. "Die Angelegenheit wurde uns nicht erklärt, ich hoffe, sie erklären sie uns", zitierte die Agentur Interfax Lawrow. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Vorwürfe sei zudem "besonders anmutig" gewählt, sagte der Minister ironisch. Erst vor wenigen Tagen hatten Russlands Präsident Dmitri Medwedew und US-Präsident Barack Obama während eines Treffens in Washington demonstrativ die Wiederannäherung der einstigen Rivalen im Kalten Krieg herausgestellt. Das Weiße Haus gab zunächst keine Stellungnahme zu den Festnahmen und möglichen Auswirkungen auf die Beziehungen zu Moskau ab. (red/APA)