Der Unterzeichnungsort des "historischen Abkommens" zwischen China und Taiwan war mit Bedacht gewählt. In Chongqing, der 30-Millionen-Metropole in Zentralchina, hatten zwischen 1938 und 1946 die nationalistischen Kuomintang Chiang Kai-sheks ihr Hauptquartier. Dort schlossen sie ein brüchiges Bündnis mit Mao Tse-tungs Kommunisten gegen die Japaner - bis der chinesische Bürgerkrieg erneut ausbrach, die Kuomintang 1949 nach Formosa flüchteten und dort ihren streng antikommunistischen, von Peking und der Mehrheit der Staatengemeinschaft nie anerkannten eigenen Staat ausriefen.

Gut 60 Jahre und etliche Krisen später - 1400 chinesische Raketen bleiben auf Taiwan gerichtet, Taipeh genießt den Schutz der USA -, kehrt Pragmatismus an der Straße von Formosa ein. Das 100-Milliarden-Euro-Handelsvolumen zwischen beiden Staaten soll mit dem Vertrag noch gesteigert werden. Peking braucht die taiwanischen Investitionen, Taipeh den chinesischen Markt. Am grundsätzlichen Streit um den Status Taiwans ändert das zwar nichts. Aber Handel bringt Wandel - und dazu Stabilität und Prosperität, die zwei Schlüsselparameter aus der Sicht Pekings.

Zu politischen Scharmützeln zwischen beiden Partnern wird es weiter kommen. Dennoch, die Volksrepublik hat Zeit, und ihr politischer Magnetismus ist groß. Er wirkt auf die ganze Welt und erst recht über die 180 Kilometer breite Meerenge, die das Festland von Taiwan trennt. (DER STANDARD; Printausgabe, 30.6.2010)