Das Geld aus der Kapitalerhöhung soll dem Verbund helfen, den Grad der Verschuldung zu senken. Die Republik als Hälfteeignerin macht 500 Millionen locker
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Wien - Der Herbst könnte hektisch werden an der Wiener Börse. Nach EVN hat der Verbund als zweiter Energieversorger in Österreich eine Kapitalerhöhung für Ende November/Anfang Dezember angekündigt. Während es bei EVN um zehn Prozent des Grundkapitals oder 200 Mio. Euro geht, ist es beim Verbund eine Milliarde - das entspricht ungefähr zwölf Prozent des Unternehmenswerts.
Seit dem Börsengang von Österreichs größtem Stromkonzern 1988 hat es wiederholt Vorstöße des Managements in Richtung Kapitalerhöhung gegeben; jedes Mal lehnte dies die Republik als Hauptaktionärin ab. Die jüngste Initiative von Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber hat offene Ohren bei Wirtschaftsminister Wolfgang Mitterlehner, der beim Verbund Eigentümervertreter ist, und Finanzminister Josef Pröll (beide VP) gefunden. Die Zustimmung von Pröll ist nötig, weil die Hälfte der Kapitalerhöhung - 500 Mio. Euro - im Budget zusammen gekratzt werden muss. Andernfalls würde der Staatsanteil unter die gesetzlich festgeschriebene 51-Prozent-Marke fallen.
Pröll sieht "kein Problem" , das Geld trotz angespannter Budgetsituation bereitzustellen. Die 500 Millionen sollen durch Umwidmung nicht verbrauchter Mittel aus dem Bankenpaket aufgestellt werden. Mitterlehner will sich in einem der nächsten Ministerräte vor der Sommerpause eine entsprechende Ermächtigung holen. "Das Geld wird dem Verbund nicht zugeschossen, sondern wirkt werterhöhend und ist damit nicht Maastricht-relevant" , sagte Finanzminister Pröll in einer Pressekonferenz am Mittwoch.
Die Staatsschuld erhöht sich damit aber sehr wohl. Nichts desto trotz sei das Geld laut Pröll gut angelegt. Der Verbund investiere in neue Kraftwerke (Limberg III, Reißeck II, Jochenstein/Riedl) und Leitungen. In der Folge locke eine höhere Dividende.
In der Branche wird ein klarer Zusammenhang der Kapitalerhöhung mit der innerhalb von zwei Jahren mehr als verdoppelten Verschuldung des Verbund (siehe Grafik) auf 138 Prozent zum Eigenkapital gesehen. Hauptgrund ist der im Vorjahr erfolgte Kauf der Innkraftwerke vom deutschen Energiekonzern Eon. Aber auch die massiven Dividendenzahlungen nagen an der Substanz. In den vergangenen fünf Jahren hat der Verbund 700 Millionen Euro an die Republik ausgeschüttet - allein für 2009 waren es 196,5 Millionen.
Probleme mit Leasing
Im Vorjahr kam es deshalb zu einer Herabstufung des Verbund durch die Ratingagenturen Moody's sowie Standard & Poor's; zudem setzten sie den Ausblick auf negativ, womit eine weitere Verschlechterung der Kreditwürdigkeit droht. Das hat nicht nur die üblichen Folgen höherer Zinskosten bei der Fremdfinanzierung: Des weiteren wären die verleasten Kraftwerke betroffen, sollte das Rating neuerlich gesenkt werden. Konkret wären dann höhere Sicherheiten für die künftigen Leasingraten notwendig.
Insider berichten zudem, dass die US-Investoren Eigentumsanspruch anmelden könnten, wovon etwa das Kraftwerk Freudenau betroffen wäre. Zwar wurden die Cross-Border-Leasings stark zurückgefahren; schlimmstenfalls würde der Verbund für den noch nicht aufgelösten Leasingvertrag (Freudenau) mit 450 Mio. haften.
In der SPÖ wird die Angelegenheit zwiespältig gesehen. Zwar begrüßt Arbeiterkammer-Direktor Werner Muhm, dass der Bund zu seinem Eigentum stehe und das Thema Energie Priorität habe. Allerdings müsse das Bekenntnis auch für OMV, wo der staatliche Hauptaktionär ÖIAG eine Kapitalerhöhung verweigert, oder die Post gelten.
An der Börse wurden die Pläne des Verbund schlecht aufgenommen. Die Verbund-Aktie gab gegen den Trend stark nach. (Günther Strob, lAndreas Schnauder, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.7.2010)