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Italien hat Einspruch gegen das Urteil erhoben, dass befand, dass Kreuze in Klassenzimmern gegen das Prinzip der Religionsfreiheit verstoßen.

Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Straßburg - Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg hat am Mittwoch die Verhandlung über ein Kruzifixverbot in Klassenräumen begonnen. Der Fall könnte das sensible Verhältnis zwischen Staat und Kirche in ganz Europa beeinflussen.

Die gebürtige Finnin Soile Lautsi hat den italienischen Staat geklagt, weil sie nicht akzeptieren will, dass ihre beiden Söhne unter einem Kreuz an der Wand unterrichtet werden. Während alle italienischen Gerichte ihre Klage zurückwiesen, gab ihr der Menschenrechtsgerichtshof im vergangenen Jahr überraschend recht. Italien hat dagegen Einspruch erhoben, worüber die Große Kammer des Straßburger Gerichtshofs nun entscheiden muss.

Kreuz könnte konfessionslose SchülerInnen "verstören"

Der EGMR urteilte im vergangenen November, Kruzifixe in Klassenzimmern staatlicher Schulen seien nicht mit den Europäischen Menschenrechtskonventionen vereinbar. Das Kreuz als Symbol einer bestimmten Religion könne Kinder ohne Glauben oder mit einer anderen Religion verstören. Sie gaben der Atheistin Lautsi recht, dass bei der Erziehung "konfessionelle Neutralität" geboten sei. Das Kruzifix über der Schulbank verletzte das Recht der Eltern, ihre Kinder gemäß ihrer eigenen Weltanschauung zu erziehen.

Italiener orten "aggressiven Säkularismus" des Gerichtshofes

In Italien löste die Entscheidung einen Sturm der Entrüstung aus. Vor dem Vatikan kam es zu Massendemonstrationen für das Kreuz, Papst Benedikt XVI. betonte neben dem religiösen auch den "historischen und kulturellen Wert" des Kruzifixes. Politiker aller Lager brandmarkten einen "aggressiven Säkularismus" der Straßburger Richter.

Für die Verhandlungen haben sich  zehn Staaten Europas hinter Italien gestellt. Auch das Zentralkomitee deutscher Katholiken ist zur Unterstützung des Kreuzes nach Straßburg gereist. Wenn der Gerichtshof in einigen Monaten sein Urteil fällt, wird dies für alle Mitgliedsstaaten des Europarates bindend sein.

Österreichischer Nationalrat besorgt über Aushöhlung des Rechts auf öffentlichen Religionsausübung

Der österreichische Außenminister Michael Spindelegger (VP) "begrüßt" die Befassung der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte mit dem Kruzifix-Fall. "Die Große Kammer hat wiederholt in ihren Urteilen bewiesen, dass sie sich dem kulturellen, religiösen und humanistischen Erbe Europas sehr bewusst ist", wird der Außenminister in einer Presseaussendung vom Mittwoch zitiert. Spindelegger verwies außerdem auf die Entschließung des Nationalrats vom 19. November 2009, in der dieser seine Besorgnis über eine mögliche Einschränkung und Aushöhlung des Rechts auf öffentliche Religionsausübung durch das Ersturteil ausgedrückt hatte.

"Ich erwarte, dass die Große Kammer das langjährige Rechtsverständnis der Vertragsstaaten der Konvention berücksichtigt, nach dem das Prinzip der Religionsfreiheit der Präsenz von religiösen Symbolen im öffentlichen Raum nicht entgegensteht. Nur so kann die uneingeschränkte Geltung des Prinzips der Religionsfreiheit weiterhin gewährleistet werden", so Spindelegger. (APA/apn)