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Liliane Bettencourts "Schwäche" ist Anlass des Verfahrens.

Foto: AP/Remy de la Mauviniere

Paris  - Eine Woche lang muss sich der Fotograf und Schriftsteller François-Marie Banier (62) vor einem Gericht in Paris-Nanterre gegen die Anklage verteidigen, er habe der 87-jährigen Liliane Bettencourt über die Jahre 993 Millionen Euro in Form von Barschecks, Lebensversicherungen, Picasso-Gemälden oder einer Seychellen-Insel abgenommen. Der französische Tatbestand dafür heißt "Missbrauch der Schwäche".

Angestrengt wurde der Prozess durch Bettencourts Tochter Françoise, eine diskrete Bibelkundlerin, die den luxuriösen Manieren und Baniers aggressiven Auftreten einen Riegel vorschieben will. Laut Aussagen von Kammerzofen und Krankenschwestern übte der mondäne Fotograf Macht über die Witwe aus.

Diesen Eindruck erwecken auch Tonbandaufnahmen, die Bettencourts Butler ohne ihr Wissen in den Villengemächern im Pariser Nobelvorort Neuilly-sur-Seine erstellte. Der 21-stündige Gesprächmitschnitt enthüllt auch politisch brisante Details. So sprechen Bettencourt und ihr Finanzmann über Schweizer Steuerkonten und über Geldspenden an die Sarkozy-Partei UMP und deren Kassier Eric Woerth.

Nun mehren sich die Rufe, die Woerth zum Rücktritt auffordern. Staatschef Nicolas Sarkozy hat sich schützend vor seinen Minister gestellt. Der Prozess droht die Affäre neu zu beleben. Die Regierung hat deshalb höchstes Interesse, dass die Verhandlung gleich wieder vertagt wird.

Banier verlangt ebenfalls eine Prozessverschiebung, damit er den Tonbandmitschnitt in Ruhe abhören könne. Bettencourts Anwälte spielen gleichermaßen auf Zeit. Denn im Fall einer möglicherweise jahrelangen Verzögerung wäre es vielleicht bald überflüssig, die geistig und körperlich angeschlagene L'Oréal-Erbin zu entmündigen. (Stefan Brändle aus Paris, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.7.2010)