ie Blumen waren schon bereitgelegen, der Sekt war eingekühlt. Und dann kam am Mittwoch bei der deutschen Präsidentenwahl alles ganz anders. Gleich zwei Mal erhielt der schwarz-gelbe Kandidat, Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU), eine schwere Ohrfeige. Er fiel bei der Wahl durch - nicht weil ihm ein, zwei, drei Stimmen fehlten. Gleich 44 Wahlleute wollten ihm beim ersten Wahlgang nicht folgen. Im zweiten Wahlgang waren es immer noch 29 Abweichler.

Natürlich ist dies nicht nur ein schwerer Schlag für Wulff. Noch schallender ist die Watsch'n für die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die Wulff als gemeinsamen Kandidaten von CDU/CSU und FDP für das höchste Staatsamt durchgeboxt hat.

Merkel ist (und dies völlig wertfrei) eine eiskalte Taktikerin und Machtpolitikerin. Davon zeugen die unzähligen "Männerleichen" , die am Rande ihres steilen politischen Weges liegen. Altkanzler Helmut Kohl hat sie abgestoßen, als es aufgrund der Spendenaffäre gerade opportun war. Friedrich Merz, den klugen Finanzpolitiker und Wirtschaftsexperten, drängte sie in die zweite Reihe, als er ihr gefährlich wurde. Dort musste er seine radikale Steuerreform ("Die Steuererklärung muss auf einen Bierdeckel passen" ) so abschwächen, dass er frustriert aufgab.

Dem ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber (CSU) bot sie nach der Wahl 2005 listig ein Superministerium in Berlin an, in der Hoffnung, dass er dort scheitern würde. Es kam gar nicht so weit. Stoiber kniff schon vorher, blieb in München, und damit begann sein Abstieg. Dem nach bundespolitischen Meriten strebenden hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) machte sie deutlich, dass an ihrem Kabinettstisch für ihn niemals Platz sein wird. Koch wird sich demnächst völlig aus der Politik zurückziehen.

Doch bei der Bundespräsidentenwahl hat Merkels Instinkt versagt. Man wird es niemals wissen, aber eine Kandidatin Ursula von der Leyen (CDU) wäre wohl im ersten Wahlgang zur ersten Bundespräsidentin Deutschlands gewählt worden, zumal sich für sie auch die Sozialdemokraten hätten erwärmen können.

Die deutsche Kanzlerin aber setzte stattdessen auf Wulff - nicht weil sie von seinen Qualitäten als Bundespräsident so überzeugt war, sondern weil sie ihn, ihren allerletzten Konkurrenten, nach Berlin wegloben wollte. Denn eines ist klar: Ist einer erst mal Bundespräsident, kann er nicht mehr Kanzler werden.

Zudem sollte Wulffs Kandidatur die wackelige schwarz-gelbe Koalition stabilisieren. Den braven und tüchtigen Kandidaten aus Niedersachsen würden wohl alle in der Union und in der FDP wählen können und das, bitte schön, gleich im ersten Wahlgang - so zumindest das Kalkül. Es hätte vielleicht aufgehen können, wenn Rot-Grün nicht der wirklich kluge Schachzug mit dem DDR-Bürgerrechtler Joachim Gauck gelungen wäre. Im Vergleich mit ihm wirkte Wulff auf einmal noch farbloser, und immer weniger Wahlleute konnten sich vorstellen, ihn zu wählen. Viele von ihnen wollten auch noch alte Rechnungen begleichen. Zu viele Fehler hatte sich die schwarz-gelbe Regierung seit ihrem Start im Oktober 2009 erlaubt.

All dies hatte Merkel übersehen, weil ihr das Gefühl für die Stimmung unter den eigenen Leuten verlorengegangen ist. Am Mittwoch wurde sie jedoch sehr unsanft auf den Boden der Tatsachen geholt.  (DER STANDARD, Printausgabe, 1.7.2010)