Wien - Österreichs Hilfsorganisationen machen Druck für die Realisierung des von der Regierung versprochenen Pflegefonds. Um bis Jahresende ein Modell zu entwickeln, wie es Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) anpeile, brauche es ein "ordentliches Gasgeben", sagte Walter Marschitz, Hilfswerk-Geschäftsführer und derzeit Chef der Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG). Die BAG, in der Caritas, Diakonie, Volkshilfe, Hilfswerk und Rotes Kreuz gemeinsame Interessen vertreten, will im Laufe des Sommers ihre Vorstellungen vorlegen.
"Mit dem derzeitigen Tempo ist das nicht zu bewältigen", kommentierte Marschitz die aktuellen Bemühungen auf Regierungsseite. Bis zur tatsächlichen Realisierung des Fonds werde es dann ohnehin bis 2013 dauern, wenn der nächste Finanzausgleich vorliege. Dennoch dränge die Zeit, denn Systemumstellungen bräuchten entsprechende Vorläufe.
Durch den Fonds soll ein System geschaffen werden, in dem jeder in Österreich den gleichen Anspruch und die gleichen Chancen erhalte, adäquat gepflegt zu werden, so Diakonie-Chef Michael Chalupka. Derzeit bestünden zwischen den Bundesländern mit ihren neun Landessozialhilfegesetzen große Unterschiede. "Wir stehen dort, wo wir bei der Mindestsicherung vor 15 Jahren gestanden sind", verdeutlichte er die Situation. Nun endlich einheitliche Qualitätsstandards zu schaffen, sei eine einmalige Chance, so Robert Hartmann von der Volkshilfe.
Marschitz kritisierte, dass derzeit - anders als zu Zeiten von Hundstorfers Vorgänger Erwin Buchinger (SPÖ) - der strukturierte Dialog mit allen Beteiligten fehle. Ähnlich sieht man das auch beim Roten Kreuz. "Die letzten zwei Jahre ist kaum etwas passiert", meinte Expertin Monika Wild: "Ich sehe kaum Chancen, wie bis zum Herbst ein fertiges Programm vorliegen soll."
Immerhin liegen nun erste Prognosen für die kommenden Kosten vor. So sollen die Ausgaben für mobile Dienste und teilstationäre Einrichtungen von heuer 385 Mio. Euro bis 2020 um 75 Prozent auf 675 Mio. Euro steigen. Nur ein Drittel des Zuwachses hat mit dem steigenden Alter der Bevölkerung zu tun, der Rest entfällt auf geplante Verbesserungen, geht aus der Erhebung der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG) hervor. Bei der stationären Pflege soll das Plus 26 Prozent betragen (von 1,137 auf 1,436 Mrd. Euro).
Caritas-Präsident Franz Küberl wundert dieser in Zahlen gegossene Nachholbedarf nicht. "Man hat in Wirklichkeit sehr spät angefangen, genauer hinzuschauen", meinte er. Kernpunkt sei, die Pflegefinanzierung aus der Sozialhilfe herauszunehmen.
In der BAG will man nun in den kommenden Wochen eine gemeinsame Position erarbeiten, wie der Fonds ausgestaltet sein soll und wo man das notwendige Geld hernehmen will. Bei den Einnahmen dürfte man auf eine Mischfinanzierung setzen, wobei Steuermittel aus Vermögenszuwächsen und von Finanztransaktionen, aber auch Versichertengelder herangezogen werden könnten. Beim Leistungsrecht soll es in Richtung Versicherungsprinzip gehen, meinte Marschitz, es sollte also einen Anspruch auf Pflegesachleistungen geben. Nicht rütteln will man am Pflegegeld, das im Übrigen jährlich valorisiert werden müsse, ist man sich in der BAG einig. (APA)