Im Film "Thank You For Smoking" von 2006 gehört der Schauspieler Aaron Eckhart zur Elite der Washingtoner Lobbyisten. Er vertritt die Tabakhersteller. Seine Freunde vertreten die Interessen von Schusswaffenherstellern und Alkoholproduzenten.

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Das lange Warten auf strengere Finanzmarktregeln ist auch auf den massiven Druck von Lobbyisten zurückzuführen. Weil deren Macht zunimmt, wird auf Lobbying-Regeln gepocht.

Kürzlich war die Übermacht der Finanzlobby selbst den EU-Abgeordneten zu viel: "Wir, die für die Regulierung der Finanzmärkte und des Bankgewerbes zuständigen europäischen Abgeordneten, stehen täglich unter dem Druck des Finanz- und Banksektors", hieß es in einem Aufruf, den mehrere Fraktionen gemeinsam trugen. Dies sei zwar grundsätzlich in Ordnung, aber "der Mangel an Gegenexpertise erscheint uns eine Gefahr für die Demokratie."

Wenn es um die verschwiegene Branche der professionellen Lobbyisten geht, ist in der EU vieles im Argen. Zwar gibt es seit 2008 eine Datenbank für Lobbyisten. Dieses Register ist jedoch im Gegensatz zu seinem Pendant in den USA freiwillig – und ausgesprochen lückenhaft, sobald es um die konkreten Aufträge geht. Auch dürften die meisten Lobbyisten darin erst gar nicht aufscheinen: Mit Stand 4. Juli sind 2833 Interessenvertreter registriert; geschätzt wird aber, dass mindestens 15.000 Lobbyisten und 1500 Lobbyingorganisationen in Brüssel werken. Untersuchungen gehen davon aus, dass PR-Unternehmen und Anwaltskanzleien ein Viertel dieser Lobbygruppen darstellen; der Rest sind internationale Organisationen, Handelskammern, politische Parteien und Non-Profit-Organisationen.

Häufig ist es die fehlende Gegenexpertise, die den Lobbyismus so problematisch macht, erklärte die SPÖ-EU-Abgeordnete Evelyn Regner kürzlich in einem Interview mit derStandard.at. Also: Während eine Heerschar von hervorragend vorbereiteten und ausgezeichnet dotierten Finanzmarkt-Lobbyisten die Brüsseler Institutionen aufrollen, bleiben die Interessen der Steuerzahler und kleinen Aktien- und Fondsbesitzer auf der Strecke. Lediglich 50 Organisationen befassen sich mit Arbeitnehmerschutz und Konsumenteninteressen, hielt die Arbeiterkammer kürzlich fest. Auch Umweltschutz hat keine finanziell potente Lobby.

Beispiel

Ein Beispiel: Die von Verbraucherschützern und Ärzteverbänden lange geforderte Ampel-Kennzeichnung bei Lebensmittel wurde dieses Frühjahr im EU-Parlament abgeschmettert. Dabei hätte diese einfache Rot/Gelb/Grün-Kennzeichnung auf einen Blick gezeigt, wie gesund oder eben nicht ein Lebensmittel ist. Da dies aber gegen die Interessen der wachsenden Snack- und Fertiggerichte-Industrie gewesen war, hatte im Vorfeld zur Abstimmung eine "Lobby-Schlacht sondergleichen" stattgefunden, wie der schwedische grüne Abgeordnete Carl Schlyter in einem Interview erklärte. Der Interessenverband der EU-Lebensmittelindustrie (CIAA) habe eine Milliarde Euro ausgegeben, um die Lebensmittelampel zu verhindern – mit Erfolg.

Doch auch kritisch eingestellten Personen ist klar, dass Lobbying nicht per se schlecht ist und sich auch nicht verbieten lässt. In einer komplizierten, komplexen Welt ist es eine effiziente Methode, mit der Einfluss auf jene Personen genommen werden kann, die die Gesetze machen.

Keine Regeln in Österreich

Allerdings ist das Fehlen von bindenden Regeln bei dieser Einflussnahme ein Manko, wird schön langsam auch den Vertretern von PR- und Lobbyingagenturen in Österreich klar. Hierzulande gibt es abseits von wohlklingenden Ethik-Statements überhaupt nichts. Zusammen mit den bekannt gewordenen Fällen von überschießender Einflussnahme, die teilweise auch strafrechtlich bedenklich sind (Beispiel: Buwog), begründet es den schlechter werdenen Ruf der Branche. "Wir können uns dagegen nur zur Wehr setzen, indem wir die Geschäfte bewusst transparent abwickeln", sagt der Ex-VP-Landeshauptmann von Kärnten, Christof Zernatto von der Agentur Grayling (vormals Trimedia). "Bei jedem Kontakt, den wir haben, nennen wir den Auftraggeber und das Ziel der Aktivitäten."

Solche Offenheit ist in Österreich, wo Diskretion als Kernvoraussetzung fürs Geschäftemachen angesehen wird, als wichtiger Schritt zu werten. Auch bei dem 2008 gegründeten Ethikrat für Public Relations weiß man, dass das öffentliche Rügen von Verfehlungen, etwa im Medien-Bereich, den Gerügten ausgesprochen unangenehm ist.

Beobachter meinen, dass Lobbying in Österreich zunehmen wird. Das Interesse daran, schon im Vorfeld eines Gesetzes mitzureden, wachse. Damit allerdings bestünde Handlungsbedarf. So sollte etwa die Akkreditierung von Lobbyisten im Parlament, ähnlich wie bei Journalisten, geregelt werden. Mit einer solchen Zulassung sollte es möglich werden, dass sich Lobbyisten nicht überall, aber in definierten Räumen des Hohen Hauses aufhalten. (Johanna Ruzicka, DER STANDARD, Printausgabe, 5.7.2010)