Fast sieht es so aus, als entwickle sich der Wahlkampf der Wiener Parteien auch entlang alter ethnisch-historischer Linien (bzw. alter Feindseligkeiten). Strache wütet gegen Muslime, deren zahlenmäßig größte Gruppe die Türken und die Bosnier sind. Dafür umwirbt er geradezu feurig die Serben, die eine eigene serbisch-orthodoxe Kirche haben und ihren Nationalmythos aus der (verlorenen) Schlacht am Amselfeld (Kosovo) gegen die Türken im Hochmittelalter (mit darauffolgender jahrhundertelanger Besetzung) herleiten. Vor kurzem hat Strache mit einem serbischstämmigen nationalistischen Geschäftsmann eine "christlich-freiheitliche" Plattform gegründet.

Die ÖVP hatte bisher eine türkische Gemeinderätin, Sirvan Ekici, eine Vertreterin des west-orientierten, offenen, nicht besonders religiösen türkischen Bürgertums. Nun war sie in Gefahr ihren Listenplatz zu verlieren, weil die Wiener ÖVP den Schwimmstar Dinko Jukic, den Bruder der bekannten Schwimmerin Mirna Jukic, aufstellen will. Kroatien war jahrhundertelang in der Monarchie katholisches "Bollwerk" gegen die Türken. In den 90er-Jahren wollten die Kroaten (wie alle anderen) aus dem serbisch dominierten Jugoslawien weg. Der nachfolgende blutige Krieg ging von Serbien aus. Tatsache ist aber auch, dass der kroatische "starke Mann" Franjo Tudjman kein humanitärer Demokrat war und die ÖVP (der damalige Außenminister Mock) bereit war, darüber hinwegzusehen. Die ÖVP macht sich besonders für einen EU-Beitritt Kroatiens stark.

Die SPÖ ist relativ stark unter den Wählern mit türkischem und ex-jugoslawischem Hintergrund, ebenso die Grünen. Die Grünen sind als einzige österreichische Partei für einen Beitritt der Türkei zur EU.

Wir reden hier von wahlberechtigten Eingebürgerten, bzw.deren wahlberechtigen Nachkommen. Die Zahl der wahlberechtigten Türken in Wien wird auf 100.000 geschätzt, die der Serben (und Montenegriner) noch um einiges höher (150-170.000). Auch die Bosnier, von denen nach dem Bosnienkrieg in den 90er-Jahren viele in Österreich geblieben sind (ca. 70.000) und die Kroaten sind ein beachtliches Potenzial.

Man kann bis zu einem gewissen Grad von einer "Ethnisierung" der österreichischen und Wiener Politik reden, wie es der Experte und Uni-Lektor Thomas Schmidinger tut. Gleichzeitig laufen die Wahlen für die "Islamische Glaubensgemeinschaft Österreichs", die als offizielle Vertretung der Muslime Österreichs (Staatsbürger und Nicht-Staatsbürger) gilt. Obwohl der bisherige Präsident Anas Shakfeh (ein Syrer) und der Integrationsbeauftragte Omar Al-Rawi (SPÖ-Gemeinderat mit irakischem Hintergrund) in der Öffentlichkeit recht bekannt sind, gibt es Kritiker, die diese arabische Dominanz der Glaubensgemeinschaft als nichtrepräsentativ bezeichnen. Nicht ohne Grund: Die Mehrheit der 500.000 Muslime in Österreich sind Türken, und die wollen mit der Glaubensgemeinschaft wenig zu tun haben. Die größte türkische Gruppe, ATIB, hat enge Bindungen an die türkische Regierung, die beiden anderen gehören zu den Fundamentalisten (Milli Görüs) bzw. zu den Nationalisten.

Kompliziert, nicht? Jedenfalls kann keine Partei in Wien auf die Migranten verzichten, wenn sie ihre Sinne beisammen hat. Aber es sieht so aus, als wären manchen Parteien manche Migranten lieber als andere. (Hans Rauscher, DER STANDARD, Printausgabe, 7.7.2010)