Assistentin Sylvia und ihre Chefin in der Küche.

Foto: rwh/derStandard.at

Seit 35 Jahren wird Annemarie Srb-Rössler schon von Persönlichen Assistenten unterstützt.

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Die Soziallandesräte arbeiten an einer gemeinsamen, bundeseinheitlichen Regelung.

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"Ich bin ihr Schatten", sagt Sylvia über ihre Chefin. Sie hilft ihr in der Früh aus dem Bett, assistiert ihr beim Duschen, beim Anziehen, föhnt die Haare und unterstützt sie beim Schminken, wenn sie um Hilfe ruft. Alles unter Anleitung, so wie es die "Chefin", Annemarie Srb-Rössler braucht: "Die Assistenten ersetzen mir Arme und Beine." In der Früh kann es schon eine Zeit lang dauern, bis alles erledigt ist und Srb-Rössler schließlich am Frühstückstisch mit ihrem Mann Platz nehmen kann. Ohne Persönliche Assistenz jedoch wäre es für Srb-Rössler unmöglich, selbstbestimmt und damit so gut wie unabhängig zu leben.

Seit sieben Jahren steht Sylvia ihrer Chefin nun schon zur Seite. Die sitzt seit der Kindheit im Rollstuhl und hat die Assistentin per Zeitungsinserat gesucht, selbst ausgewählt und eingeschult. Sylvia hat eigentlich eine kaufmännische Ausbildung, wollte aber nicht im Büro arbeiten.

Persönliche Assistenz seit 35 Jahren

Sie ist eine von insgesamt sechs Assistenten die Srb-Rössler - pro Monat für insgesamt 600 Stunden - um sich hat. Neben dem Routine-Programm in der Früh zuhause fahren sie die Assistenten in die Arbeit, bringen sie zu Terminen, begleiten sie auf Reisen und sind auch in der Nacht entweder im Nachdienst oder immer für Notfälle erreichbar. Srb-Rössler beschäftigt schon seit 35 Jahren Persönliche Assistenten. Anders sei es ihr nicht möglich, berufstätig und Ehefrau zu sein, wie sie sagt. 

Persönliche Assistenz - dieser Ansatz wurde in den 1960er Jahren von behinderten Menschen in den USA entwickelt. Über Großbritannien und Deutschland kam das Modell nach Skandinavien, Österreich, die Schweiz und andere europäische Staaten. Schwerbehinderte Menschen werden nicht betreut, gepflegt und damit fremdbestimmt, sondern es wird ihnen durch die Persönliche Assistenz ein selbstbestimmtes und eigenverantwortliches Leben ermöglicht. "Selbstbestimmt leben bedeutet nicht, alles selber machen zu können, sondern zu entscheiden, wer was für mich macht", erklärt Srb-Rössler.

Behinderte Menschen als Arbeitgeber

Sie ist eine resolute Frau mit Erfahrung als Teamleiterin. Seit 1994 ist sie Obfrau des Vereins BIZEPS. Davor war sie 23 Jahre lang in der Privatwirtschaft tätig. Ihre Hauptaufgabe ist die Beratung von Betroffenen. Die organisatorische Erfahrung als Teamleiterin kommt ihr natürlich privat zu Gute. Sie kennt sich steuerrechtlich aus und koordiniert die Arbeitszeiten ihrer angestellten Persönlichen Assistenten selbst. Für manche Menschen mit Behinderung ist das aber manches Mal noch ein Problem: Rechtlich gesehen ist es nämlich so, dass die behinderten Menschen meist selbst die Arbeitgeber ihrer Persönlichen Assistenten sind - und dazu fühlt sich nicht jeder berufen.

In Wien erhalten derzeit 160 Personen die sogenannte Pflegegeldergänzungsleistung, mit der sie Persönliche Assistenz finanzieren können. Voraussetzung ist, dass man die Pflegestufe 3 bis 7 bezieht.

"Wir schaffen Arbeitsplätze"

Die Pflegegeldergänzungsleistung liegt durchschnittlich bei 4100 Euro pro Monat. Die Summe muss monatlich über einen Steuerberater abgerechnet und dem Fördergeber müssen alle Belege in Kopie übersendet werden. Auch ist die Förderung ans Arbeitsrecht gebunden. "Wir schaffen Arbeitsplätze", merkt Srb-Rössler im Gespräch mit derStandard.at positiv an. Auch wenn die Summe im ersten Augenblick sehr hoch erscheint, Persönliche Assistenz ist ihrer Meinung nach noch billig, wenn man die Kosten mit jenen für andere soziale Dienste vergleicht. Dies stellte auch das Kontrollamt der Stadt Wien bei einer Prüfung fest.

Keine bundesweit einheitliche Regelung

Das Problem an der derzeitigen Regelung ist jedoch, dass sie nicht bundesweit gilt. Es gibt in jedem Bundesland Persönliche Assistenz, aber sie ist überall anders geregelt. "Wien zahlt das meiste Geld, aber das ist nicht alles", sagt Srb-Rössler, denn das Arbeitgeber-Modell, also dass man seine Assistenten anstellt und selbst organisiert, liege nicht jedem. Ihrer Meinung nach müsste es mehr Assistenzanbieter geben.

Auch Marianne Schulze vom Monitoring-Ausschuss sagt im Gespräch mit derStandard.at: "Die Forderung der Behindertenvertreter betrifft nicht nur die finanzielle Seite. Es muss ein entsprechendes Netzwerk an AssistentInnen geben, ausgebildete Kräfte. Die Betroffenen sollen sich selber die Assistenten aussuchen können".

Arbeitsgruppe mit Hundstorfer

Nun könnte Bewegung in die Debatte kommen, denn die Soziallandesräte haben sich bei der Soziallandesräte-Konferenz in Kaprun im Juni geeinigt, dass eine Arbeitsgruppe eingerichtet wird, die eine bundeseinheitliche Lösung herbeiführen soll. Auch Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wird in dieser Arbeitsgruppe vertreten sein. Schon im Regierungsprogramm wurde ja festgehalten, dass eine ganzheitliche persönliche Assistenz bundesweit anzustreben ist und Möglichkeiten dazu überprüft werden sollen.

"Nicht immer der Bittsteller sein"

"À la long wird es eine einheitliche Lösung geben", davon ist auch Srb-Rössler überzeugt. Sie plädiert auch für einen Rechtsanspruch. Denn das ist ein weiterer Schritt in Richtung Selbstbestimmung. "Wir wollen nicht immer Bittsteller sein", sagt Srb-Rössler. Sie ist zuversichtlich und zitiert die Wiener Soziallandesrätin Sonja Wehsely (SPÖ), die, wenn es eine bundeseinheitliche Regelung mit einer offenen Pflegegeldstufe gibt, "durchaus gesprächsbereit" sein soll. (Rosa Winkler-Hermaden, derStandard.at, 9.7.2010)