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Im Tierschützerprozess hat Richterin Sonja Arleth(hinten) derzeit Prozesspause eingelegt. Der Verteidiger von Martin Balluch (Dritter von links) rechnet mit langen, weiteren Zeugeneinvernahmen
Der Prozess gegen 13 Tierschützer wegen Mafiaverdachts zieht sich zunehmend in die Länge
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Wiener Neustadt / Wien - Im Tierschützerprozess gegen 13 NGO-Aktivisten wegen Mafiaverdachts nach Paragraf 278a StGB und anderen Strafdelikten mit hohem wirtschaftlichem Schaden wird derzeit nicht verhandelt, sondern abgetippt. 33 Verhandlungstage mit dutzenden Zeugenbefragungen haben bereits stattgefunden, doch Protokolle liegen erst über fünf Tage vor.
Keine Ende bei Zeugeneinvernahmen
Dieser Abschreiberückstand soll in der bis 19. Juli angesetzten Prozesspause aufgeholt werden, zumindest teilweise. Dann sind von der Einzelrichterin Sonja Arleth zwei weitere Verhandlungswochen angesetzt, bevor im August die von Anfang an geplante einmonatige Sommerunterbrechung beginnt - ohne dass ein Ende der Zeugeneinvernahmen absehbar wäre.
330 Zeugen
„Die Anklage hat 140 Zeugen beantragt, von Seiten der Verteidigung sind insgesamt 190 Zeugen geladen. Wenn man die bisherige Verhandlungsdauer aufrechnet, kann sich der Prozess allein bis zum erstinstanzlichen Urteil ins kommende Jahr 2011 hineinziehen. Und dann wird eine Seite sicher berufen, die Causa also in die zweite Instanz gehen", prophezeit Anwalt Stefan Traxler, der neben dem Hauptbeschuldigten Martin Balluch vier weitere Angeklagte vertritt. Im Büro von Justizministerin Claudia Bandion-Ortner wird diese Schätzung nicht kommentiert, doch ein Justizministeriumsexperte kam vor einem Monat auf Befragen des Außenamts auf ganz Ähnliches: Vor Spätherbst oder kommendem Frühjahr werde kein Ersturteil fallen, meinte er. Das Außenamt hatte sich wegen tschechisch-österreichischer Kundgebungen von Tierschützerunterstützern erkundigt.
Längster erstinstanzliche Gerichtsgang
Damit dürfte der Tierschützerprozess der längste erstinstanzliche Gerichtsgang sein, der je in Wiener Neustadt stattgefunden hat: Ein Gerichtsgang mit 13 Beschuldigten, die über Monate dreimal wöchentlich ihren Tag auf der Anklagebank verbringen, da durchgehende Anwesenheitspflicht vorgesehen ist. Allein bisher, rechnet Traxler vor, hätte die Verteidigung laut üblichem Anwaltstagsatz von 3000 Euro brutto 1,29 Millionen Euro gekostet.
SP-Vorschläge für Änderungen im Mafiaparagrafen
„Dieses Verfahren verdient besonderes Augenmerk. Denn die Frage ist, ob das, was dort passiert, rechtstaatlichen Überlegungen entspricht", meint indes SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim. Im Zuge der Diskussionen um die geplanten Terrorpräventionsbestimmungen (Paragrafen 278 e und 278 f ), deren Beschluss nach Kriminalisierungsbefürchtungen von NGOs und Journalisten verschoben wurde, schlägt er auch Änderungen im Mafiaparagrafen 278a vor.
Straffreiheit für Vereine mit gesellschaftlich anerkannten Zielen
Konkret fordert Jarolim einen Zusatzpassus, wonach „Organisationen auf statutarischer Grundlage" - also Vereine -, die sich der „Erfüllung gesellschaftlich anerkannter Ziele widmen", nicht bestraft werden sollen. Im Büro Bandion-Ortners kommentiert man dies nicht. (Irene Brickner, DER STANDARD Printausgabe 8.7.2010)