Die Pensionsdebatte ist heiß; fast täglich lesen wir, dass das effektive Pensionsalter angehoben werden muss. Bemerkenswert: Universitätsprofessoren konnten früher bis zu ihrem 70. Lebensjahr arbeiten, heute müssen sie mit 65 Jahren in Pension gehen (manche, je nach Dienstantritt, mit 68 Jahren). Die meisten würden allerdings gerne länger aktiv bleiben, kaum einer geht früher in Pension als er muss, es sei denn, er hätte dadurch finanzielle Nachteile zu erleiden. - Ein Paradoxon in einer Welt, die unter der Sehnsucht nach Frühpension leidet. Auch Verfassungsrichter behalten bis zu ihrem 70. Lebensjahr ihre Funktion und der amtierende Bundespräsident ist 71 Jahre, wird also voraussichtlich bis zu seinem 77. Lebensjahr diese Funktion behalten.

Ließe man die Uni-Professoren - wie es viele wünschen - länger arbeiten, gäbe es mehrere Gewinner: Der Staat würde sich erhebliche Pensionsleistungen ersparen und könnte die eingesparten Beträge über das Budget an die Unis zurückführen. Die Unis könnten mit den zusätzlichen Geldern mehr wissenschaftliches Personal, vor allem Assistenten, beschäftigen, das Betreuungsverhältnis der Studenten zum Lehrpersonal könnte sich zahlenmäßig, vor allem aber qualitativ verbessern, mehr Uni-Jobs für die Absolventen würden die Chancen für junge Talente erhöhen.

Das einzige Argument dagegen: Die nachfolgenden Wissenschaftler müssten einige Jahre länger warten, bis sie "zum Zug" kommen. Niemand nimmt ihnen allerdings ihren Arbeitsplatz weg, im Gegenteil, die neu geschaffenen Assistentenstellen könnten ihnen zugeordnet werden, auch ihre Arbeitsbedingungen wären damit verbessert. - Und wenn es später um ihre Pensionierung geht, kämen auch sie in den Vorteil des höheren Pensionsalters.

Um welche Zahlen geht es: Österreichweit gibt es rund 1.500 Professorenstellen; geht man von einem durchschnittlichen Professorenantrittsalter von etwa 45 Jahren aus, dann hat ein Professor heute etwa 20 aktive Jahre vor sich. Erhöht man das Pensionsalter auf 70, dann erhöht sich damit die Aktivzeit eines Professors um etwa fünf Jahre oder 25 %. Bei 1.500 Professorenstellen könnte man bei den Pensionszahlungen etwa 300 Posten jährlich einsparen. Da sich mit einer Professorenstelle zwei bis drei Assistentenstellen finanzieren lassen, könnten wir damit zusätzlich 400 bis 600 junge Wissenschaftler gewinnen. - Wie viele Talente gehen uns heute an den Universitäten bloß deshalb verloren, weil wir ihnen keine Chance geben können?

Bleibt die Frage, ob unsere Unis nicht "vergreisen" , wenn wir die Professoren um fünf Jahre länger arbeiten lassen. - Die Gegenfrage wäre: Wenn Verfassungsrichter heute - wie seit mehr als 100 Jahren - bis 70 arbeiten und niemand behauptet, dass ihre Arbeit unter ihrem Alter leidet, dann wird das wohl auch für Professoren gelten. Und wenn ursprünglich - bis vor etwa 20, 30 Jahren - auch Professoren erst mit 70 emeritierten, war das wohl kaum zum Nachteil der Wissenschaft.Zudem ist ein heutiger Uni-Professor mit 65 Jahren in der Regel noch viel leistungsfähiger als ein 70-jähriger vor 30 Jahren. Das sollte - auch im Interesse der Universitäten - genutzt werden. Schlussendlich wäre ein derartiger Schritt auch wichtiges sozialpolitisches Signal: Ein höheres Pensionsalter ist nicht nur möglich, sondern wäre für viele auch erstrebenswert. - Nicht jeder "leidet" unter seiner Arbeit, vielen macht sie Freude.

Und das gilt sicher auch für andere Berufe, doch unser Sozialversicherungssystem erlaubt keine spätere Pensionierung: Wer später in Pension geht, muss mit beträchtlichen finanziellen Nachteilen rechnen, er wird also de facto vom Staat gezwungen, die "frühe" Pension anzunehmen. Auch hier wäre ein Umdenken gefragt. (Werner Doralt, DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.7.2010)