Ein wenig werde jeder auf die politische Gesinnung abgeklopft. Aber ein Parteibuch habe noch keiner von ihm verlangt, sagt Emil Widmann, es gebe auf dem Berg auch wirklich Wichtigeres. Der Bergführer bewirtschaftet seit drei Jahren auf 2558 Höhenmetern nördlich des Großvenedigers die Kürsingerhütte, die unter dem Dach des Alpenvereins steht.

Franz Torghele führt 300 Meter tiefer im Nationalpark Hohe Tauern für die Naturfreunde das kleinere Schutzhaus Neubau. Die Zeit, in der in und über die Hütten politisiert wurde, sei zum Glück vorbei, meint er. Er arbeite seit 33 Jahren als Wirt auf dem Berg, aber nach Parteivorlieben für eine Pacht sei er nie gefragt worden.

Politische Grenzen verschwimmen mit zunehmender Höhe. Dass sie sich nicht ganz auflösen, dafür sorgen die Bergsteigervereine im Tal. 238 Schutzhütten und 380.000 Mitglieder zählt der Alpenverein als größter. Verwurzelt im Bürgertum des späten 19. Jh.s., verbieten heute die Statuten seinen Funktionären, politische Ämter auszuüben, von einem Job als Bürgermeister abgesehen. Seine Netzwerke hinter den Kulissen zu den Spitzenpolitikern der ÖVP sind dennoch die besten.

Die aus der Arbeiterbewegung heraus entstandenen Naturfreunde verhehlen ihre Nähe zur SPÖ nicht. Hochrangige Parteipolitiker besetzen ihre Vereinsspitzen. Beginnend vom Vorsitzenden Karl Frais, der als SP-Klubobmann in Oberösterreich dient, über den ehemaligen Grazer SP-Stadtrat Hans Pammer und Gudrun Mosler-Törnström, die Zweite Landtagsabgeordnete in Salzburg, als Stellvertreter, bis zu Rudolf Schicker. Der Wiener SP-Verkehrsstadtrat ebnete den Weg für Österreichs größte Kletterhalle in Donaustadt, ist man sich in Vereinskreisen einig. Die Naturfreunde betreiben sie - die Stadt Wien hat sie großteils finanziert. Ohne politischen Willen gehe da nichts.

Bundespräsident Heinz Fischer war 33 Jahre lang der Präsident der Naturfreunde und ist es heute in einer Ehrenfunktion. Warum ein Politiker nicht auch Bergsteiger sein kann, fragt Karl Frais. "Die Naturfreunde sind keine Parteiorganisation, haben aber Parteinähe. Das ist historisch gewachsen, dazu bekennen wir uns." Er selbst sei sicher nicht von oben draufgesetzt, sondern seit 30 Jahren dabei.

Die meiste Arbeit sei ehrenamtlich und habe mit Politik nichts zu tun. Aber gute Kontakte schadeten nie, auch gute Funktionäre liefen nicht auf der Straße herum, "offen sind die Positionen aber für alle".

"Auf die Barrikaden"
Politik betreibt sein Verein eifrig. Etwa wenn es darum geht, sich für den freien Sonntag einzusetzen. Man versuche, in Sachfragen Einfluss auf die Politik zu nehmen, sagt Bundesgeschäftsführer Reinhard Dayer. "Will einer den Wald zusperren, klettern wir auf die politischen Barrikaden." Auch die Kärntner Schwammerlvignette sei abgewehrt worden. Kritikern aus Reihen der Grünen geht manches Naheverhältnis aber zu weit, etwa in Energiefragen: Heinz Kaupa als hoher Verbund-Manager ist Vereinsvizechefs. Er sehe keinen Interessenkonflikt, sagt Frais.

Mehr Berührungsängste zur Politik hat der Alpenverein. Bei der hohen Zahl an Mitgliedern könne man sich einseitige Ausrichtung gar nicht erlauben, tönen die Grünen. Subtiler ist die ÖVP dennoch gut vertreten, etwa durch Friedrich Macher, der mit schwarzer Hilfe Rail-Cargo-Chef wurde.

Das Lagerdenken sei entschärft, der Alpenverein politisch unabhängig, sagt Präsident Christian Wadsack. Gerate man dennoch ins politische Fahrwasser, werde man oft eher den Grünen als Schwarzen zugeordnet. Andere Funktionäre werten politische Abstinenz als Lippenbekenntnis - dass es der Verein aber oft nicht schaffe, politische Kontakte zu nutzen und mit einer Stimme zu sprechen, das liege am Kräftemessen der Sektionen untereinander - Innsbruck fürchte gar eine Allianz der Wiener.

Geht es um Finanzierung, betonen die Naturfreunde wie der Alpenverein, keinen Cent von einer Partei zu erhalten. Ihre Subventionen, bei Ersteren machen sie 35, bei Letzteren 21 Prozent des Budgets aus, speisen gemäß eines Aufteilungsschlüssels die Töpfe des Wirtschafts- und Sportministeriums, die Länder fördern Projekte.

Der Gruß auf dem Gipfel trennt die zwei Vereine: Naturfreunde ziehen das "Berg frei" dem "Berg heil" vor. Einig sind sie sich, dass der Weg dorthin ein schmaler Grat ist: Für den Erhalt der Berghütten laufen beiden die Kosten davon. (Verena Kainrath, DER STANDARD, Printausgabe, 10./11.7.2010)