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US-Forscher fanden 2007 heraus, dass das HI-Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit von Haiti aus in die USA gelangte. Auch dort blieb es längere Zeit unerkannt, bis es 1981 erstmals beschrieben wurde.

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HI-Viren sollen im Karibikstaat Haiti ungefähr 15 Jahre lang unerkannt zirkuliert sein

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Haiti hat die höchste HIV-Rate außerhalb Afrikas, vor dem Erdbeben im Jänner 2010 waren 120.000 Menschen des Neun-Millionen-Einwohner-Landes mit dem Virus infiziert. Seit einigen Jahren gilt der Karibikstaat sogar als das "Ursprungsland" von Aids: Das HI-Virus soll in den Sechziger Jahren von Zentralafrika nach Haiti eingeschleppt worden sein, wo es Jahre lang unentdeckt blieb, bis es in die USA gelangte und sich von dort aus weltweit verbreitete.

Wissenschafter erstellen HIV-Verbreitungskarte

Wissenschafter der Universität Arizona in Tuscon haben diese "Haiti-Theorie" 2007 aufgestellt. Dazu analysierten sie Virusproben der ersten bekannten Aids-Patienten aus Haiti, deren Viren zur Variante HIV-1-Gruppe M, Subtyp B und damit zur ersten entdeckten und weltweit am stärksten verbreiteten Variante gehörten. Im Anschluss verglichen sie die Daten mit mehreren Proben aus Afrika, Amerika und dem Rest der Welt und erstellten eine Verbreitungskarte für das Virus.

Demnach gelangte es 1966 bei der Heimkehr haitianischer Arbeiter  aus dem ehemaligen Belgisch-Kongo und späterem Zaire, heute Demokratische Republik Kongo, nach Haiti. Dort verbreitete es sich zunächst über heterosexuellen Geschlechtsverkehr, später auch von Müttern auf Kinder. Die Annahme, dass das Virus wie bisher vermutet direkt aus Afrika in die USA eingeschleppt wurde, konnten die Wissenschafter mit hoher Wahrscheinlichkeit widerlegen: Ein zweites Verfahren ergab, dass es zu 99,8 Prozent via Haiti in die USA gelangte.

Virus blieb 15 Jahre unentdeckt

Der Erreger soll im Karibikstaat ungefähr 15 Jahre lang unerkannt zirkuliert sein: Haiti war und ist eines der ärmsten Länder der Welt, der Bildungsstand war niedrig, die Gesundheitsversorgung schlecht.

Dorothee von Laer, Direktorin der Sektion Virologie an der Medizinischen Universität Innsbruck, nennt zwei konkretere mögliche Gründe für die Nicht-Entdeckung des Virus. Einerseits könnte die eher unspezifische Symptomatik von Aids daran Schuld sein: Beschwerden wie Durchfall, Gewichtsabnahme oder Lungenentzündung kommen in Staaten wie Haiti ohnehin häufiger vor als in wohlhabenderen Ländern. Hinzu kommt, dass Erkrankungen, die man nicht kennt, leicht fehldiagnostiziert werden - besonders wenn die Dichte der medizinischen Versorgung gering ist. "Erst wenn die Häufigkeit einer neuen Erkrankung deutlich höher ist als die Häufigkeit bekannter ähnlicher Erkrankungen, wird die Aufmerksamkeit des Gesundheitssystems geweckt - also für Aids recht spät", erklärt von Laer.

Eine mögliche zweite Theorie, die man "nicht ausschließen" könne: Die Anpassung des Virus an den Menschen als Wirt könnte vor 1980 noch nicht abgeschlossen gewesen sein. Das würde bedeuten, dass HIV über die Jahre infektiöser und damit immer leichter von Mensch zu Mensch übertragbar wurde.

Von den USA in den Rest der Welt

Von Haiti aus gelangte das Virus vermutlich 1969 in die USA, wo es ebenfalls lange unentdeckt bleibt und erst 1981 - 15 Jahre nach dem erstmaligen "Import" nach Haiti - beschrieben wurde. Der Grund dafür: Forscher vermuten, dass es sich zuerst langsam in der heterosexuellen Bevölkerung verbreitete und erst in der Folge in der Hochrisikio-Gruppe homosexueller Männer. Dort wurde es schließlich bemerkt und gelangte von den USA aus in die ganze Welt. Hätte sich diese rasante Ausbreitung verhindern lassen, wenn das Virus in Haiti schon frühzeitig entdeckt worden wäre? Die Virologin glaubt nicht daran, denn bis heute gebe es kein Mittel, um die Epidemie effektiv zu stoppen. Aber: "Möglicherweise hätte man die Ausbreitung etwas verzögern können."

Die Theorie, Haiti quasi als "Ursprungsland" von HIV zu bezeichnen, hält van Laer nicht für sinnvoll: Sie kann sich nicht vorstellen, dass die Aids-Epidemie in den USA tatsächlich von einem einzigen Land ausging. "HIV wurde sicherlich mehrmals in die USA eingeschleppt, unter anderem auch aus Haiti." Daher kritisiert die Virologin "dieser Art der Forschung": "Sie birgt das Risiko, dass bestimmte Länder stigmatisiert werden und trägt nicht wesentlich zur Bekämpfung der Epidemie bei." (mak, derStandard.at)