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Abstimmungsprobleme: Ein deutscher Soldat beim Training mit afghanischen Polizisten.

Foto: AP Photo/Anja Niedringhaus,

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Treffen unter Bekannten: Ein afghanischer Polizist im Einsatz in Helmand.

 

Foto: AP Photo/Kevin Frayer

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Police Academy auf afghanisch.

Foto: AP Photo/Dar Yasin

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Pause am Rande des Marijuana-Feldes.

Foto: REUTERS/Denis Sinyakov

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Ein afghanischer Polizeibeamter bei der Kontrolle seiner Waffe durch das US-Militär.

Foto: EPA/TIAGO PETINGA

"Stop Corruption": Eine Kampagne von EUPOL und dem afghanischen Innenministerium

Foto: eupol

Am Dienstag wurde auf der Afghanistan-Konferenz verkündet, dass bis 2014 die afghanischen Sicherheitskräfte die Verantwortung für die Sicherheit im Land vollständig übernehmen sollen. Am Mittwoch wurden sechs afghanischen Polizisten im Norden des Landes von Aufständischen der Kopf abgetrennt. Nicht nur dieser Vorfall zeigt, dass die afghanischen Armee- und Polizeieinheiten noch nicht wirklich fit genug sind, um bei der andauernden instabilen Lage die Sicherheit im Land auch nur ansatzweise zu gewährleisten. Auch ein kürzlich vom US-Büro des Sondergeneralinspekteurs für den Aufbau in Afghanistan (SIGAR) präsentierter Bericht (siehe Download links) stellt den afghanischen Sicherheitskräften kein gutes Zeugnis aus.

Eigentlich sollte die afghanische Armee bis Oktober 2010 über 134.000 Soldaten verfügen, bis Oktober 2011 sollten 171.000 Soldaten bereitstehen. Die Zielstärken für die Polizei sind 109.000 für 2010 und 134.000 für 2011. Insgesamt 27 Milliarden Dollar wurden für den Aufbau von Polizei und Armee bisher ausgegeben. Alle Bemühungen würden jedoch durch die weit verbreitete Korruption und den Drogenmissbrauch bei den Sicherheitskräften behindert, schrieben die SIGAR-Prüfer. Es gebe zu wenige Ausbilder, die manchmal selbst schlecht ausgebildet seien.

Truppenstärke wird übertrieben

"Wir wissen mit heutigem Stand nicht, was die afghanischen Sicherheitskräfte wirklich können", so Arnold Fields von SIGAR gegenüber Reuters. Die Truppenstärke werde bei offiziellen Statistiken oft übertrieben und die Abwesenheit von Soldaten ignoriert. Nur 74 Prozent des aktuellen Armeepersonals seien einsatzfähig, bei der Polizei noch weit weniger. Die afghanischen Sicherheitskräfte ließen ihre Aufgaben häufig auch dann im Stich, wenn sie von ihren Ausbildern ausgezeichnete Noten erhalten hätten. "Die afghanische Polizei stellte oft einfach die Arbeit ein, sobald wir die Gegend verlassen hatten", beschwerte sich eine Gruppe von Ausbildern laut Bericht.

Ein Fallbeispiel aus dem Bericht: In Bati Kot, einer Polizeistation, die ursprünglich Bestnoten erhielt, hatte man laut Polizeiangaben zehn Einsatzfahrzeuge zur Verfügung, eine Kontrolle ergab jedoch, dass nur drei afghanische Beamte fähig waren mit diesen zu fahren.

Taliban zahlen besser

Mitverantwortlich für die hohen Desertationsraten ist auch die vergleichsweise schlechte Bezahlung der Sicherheitskräfte: Die Angaben schwanken zwischen 150 und 240 Dollar, die Taliban sollen 300 Dollar bezahlen, private Sicherheitskräfte noch mehr.

Wer dennoch Soldat oder Polizist werden will, stößt bei der Ausbildung auf sprachliche Barrieren. Übersetzer müssen engagiert werden, die selbst keinerlei Erfahrung in Sachen Polizei- bzw. Militärbereich haben. Einige Gegenden seien laut SIGAR-Bericht zudem so gefährlich, dass die Ausbildung per Funk stattfinden müsse. Was dann bei den Rekruten am Ende der Kommunikationskette ankommt, kann oft nicht mehr als Ausbildung bezeichnet werden. Dazu kommt auch noch die mangelnde Bildung der angehenden Sicherheitskräfte: Laut einem Bericht der ARD sind 70 Prozent der Bewerber für die Armee Analphabeten. 

Korruption Hauptgegner

Die schwierigste Herausforderung, um funktionierende afghanische Sicherheitskräfte zu installieren ist der hohe Grad an Korruption. Laut dem SIGAR-Bericht existieren zahlreiche Berichte über Polizisten, die Benzin oder Waffen abzweigten und Reisenden an Kontrollpunkten Geld abknöpften. Es gibt auch Meldungen über "Geister"-Polizisten, die entweder gar keine sind, oder behaupten, einen höheren Rang zu haben, um an mehr Geld ranzukommen.

Laut einem Bericht des ZDF seien früher die Gehälter oft gar nicht bei Beamten angekommen, weswegen man ein neues System installierte: Die Polizisten bekommen eine SMS mit einer Geheimnummer auf ihr Handy geschickt und können ihr Geld dann in einem Telefonladen abholen. EUPOL-Sprecher Harald Händel berichtete allerdings von einem Fall, bei dem ein Polizei-Kommandeur die Handys seiner 53 Untergebenen einsammelte, um das Geld selbst zu kassieren. Als der Telefonladen-Besitzer die Auszahlung verweigerte, drohte der Kommandeur, das Geschäft in Brand zu stecken. Händel sagte, zwar bemühe sich die Anti-Korruptionseinheit von EUPOL darum, dass der Mann festgesetzt werde - jedoch ohne Erfolg, da es wegen des Personalnotstands keinen Ersatz für ihn gibt.

Drogenmissbrauch

Einer afghanischen Erhebung zufolge seien 17 Prozent der Polizisten drogensüchtig. Die Nato hält diese Quote allerdings für zu niedrig gegriffen. Im SIGAR-Bericht ist von mindestens 50 Prozent die Rede und es wird ein Extremfall von einer ANCOP-Polizeieinheit in der Provinz Nangarhar geschildert: Laut Aussagen von US-Militärs hat hier das Sicherheitspersonal - ein Team von rund 100 Polizisten - ganz offen Marijuana geraucht und wollte weder Einsätze durchführen noch den Wachposten verlassen. Die Reaktion des afghanischen Innenministeriums auf die drogensüchtige Exekutive: Wer nicht innerhalb von drei Monaten nachweisen kann, dass er nicht mehr abhängig ist, fliegt aus dem Polizeidienst.

Übrig bleibt eine Hand voll Unbestechlicher und Drogenverweigerer voller Idealismus, die ab 2014 jenen Frieden im Land am Hindukusch garantieren sollen, den fremde Militärmächte mit enormem Personal- und Materialeinsatz nicht bringen konnten. (rasch, derStandard.at, 22.7.2010)