"Storch Heinar" als Führerstorch.

Foto: Endstation Rechts

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Logo von "Thor Steinar" im Schaufenster einer Hamburger "Brevik"-Filiale, 2008.

Foto: AP/Axel Heimken

Logo von "Storch Heinar", dass vor allem dem alten Logo der Bekleidungsmarke "Thor Steinar" zum Verwechseln ähnlich sein soll.

Foto: Endstation Rechts

Ein gezeichneter Storch mit Hitlerbärtchen und akuratem Seitenscheitel unter dem Stahlhelm stand am heutigen Mittwoch in Nürnberg vor Gericht. "Storch Heinar", eine im Dezember 2008 von der Initiative "Endstation Rechts" der Jungsozialisten (JuSo) im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern erfundene Comicfigur, ist eine Persiflage auf die in der deutschen rechten Szene verbreitete Modemarke "Thor Steinar" - und wurde von ebendieser verklagt. Beim Prozess sollte geklärt werden, ob die Markenrechte der "Thor Steinar"-Vertriebsfirma MediaTex aus dem brandenburgischen Mittenwalde durch "Storch Heinar" verletzt worden sind oder nicht.

Der Richter musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob die Gefahr besteht, dass jemand, der eigentlich Kleidung der Marke mit dem weißen Kreuz kaufen möchte, aus Versehen zu T-Shirts mit dem stahlhelmbewehrten Storch auf rotem Wappen greift. MediaTex meinte 'Ja' und wollte den Vertrieb von Kleidungsstücken mit "Storch Heinar" - der schonmal in Anlehnung an Benito Mussolini als "Benito Storcholini" daherkommt, oder als "debiler Rudolf" im Flugzeug sitzend Rudolf Heß verkörpert - verbieten lassen. Zudem sah die Firma ihre Marke "verunglimpft". Der "Storch Heinar" sehe vor allem dem alten Logo der Marke - laut Angaben der Firma zeigt es ein T und ein S aus einem alten Runenalphabet auf einem roten Wappenschild - zum Verwechseln ähnlich.

Rechtsextremistische NPD mit sechs Abgeordneten im Landtag

Der Streitwert beträgt laut Amtsgericht Nürnberg 100.000 Euro. Die Klage von MediaTex richtete sich gegen den "Endstation Rechts"-Initiator Mathias Brodkorb, der SPD-Abgeordneter im Landtag Mecklenburg-Vorpommerns ist. Im Parlament des dünn besiedelten Bundeslandes im Nordosten Deutschlands sitzen auch sechs Abgeordnete der rechtsextremistischen NPD. Die Plattform "Endstation Rechts" sieht sich als eine Art Watchdog für deren Aktivitäten, aber auch die von Kameradschaften und anderen rechten Gruppierungen im Land. "Storch Heinar" - der Brodkorb und seinen Kollegen laut eigener Aussage bei einem feucht-fröhlichen Abend eingefallen ist - ist dabei nur ein Teil einer größeren Kampagne gegen Rechtsextremismus. 

"Heinar kommentiert satirisch das Bestreben der Rechten für ihre Ideologie zu werben. Da geht es ja oft um Kleidung, Musik, Logos", sagte Julian Bartels, einer der Vertreter der Initiative, am Mittwoch dem berlin-brandenburgischen Sender "Radio Eins". Man habe sich dazu entschlossen "Thor Steinar" zu persiflieren, weil die Firma nie offensiv versucht habe, sich von ihrem Image als Marke für Rechtsextremisten zu distanzieren, sagte Bartels. "Es gab in Vergangenheit immer wieder Marken, die von Rechten gekapert wurden, wie Lonsdale oder New Balance. Die sind aber dagegen vorgegangen, Thor Steinar verhält er sich da anders", sagte er zu "Radio Eins".

Berliner Polizisten dürfen "Thor Steinar" nicht mehr tragen

Im offiziellen Sprachgebrauch distanziert sich "Thor Steinar" zwar von der rechtsextremistischen Szene. Ihre mit Runen, Totenköpfen und altdeutschen Schriftzügen bestickten Kleidungsstücke sowie die nordische Mythik dahinter erfreuen sich dort aber dennoch großer Beliebtheit. Die Berliner Polizei verfügte in einer Dienstanweisung im vergangenen Jahr, dass ihre Beamten die Kleidung von zehn einschlägigen Marken - darunter auch "Thor Steinar" - im Dienst nicht mehr tragen dürften. "Diese Kleidung wird bevorzugt in der rechten Szene getragen", begründete die Hauptstadtpolizei - die peinlich genau darauf bedacht ist, jeglichem Verdacht des Anstreifens an rechtes Gedankengut aus dem Weg zu gehen - den ungewöhnlichen Schritt.

Sollte der Klage von "Thor Steinar" stattgegeben werden, hätte Endstation Rechts "als ehrenamtliches Projekt ein Riesenproblem", sagte Bartels. Das zumindest ist offenbar abgewendet. Der Richter in Nürnberg empfahl MediaTex am Nachmittag die Klage zurückzuziehen, was darauf hinweist, dass in seinen Augen offenbar keine Verwechslungsgefahr des Storchs mit der Bekleidungsmarke besteht.

Eine kleine Niederlage musste "Endstation Rechts" aber dennoch einstecken: Eine exakt viermal verkaufte Tasche zum Preis von je 29,90 Euro mit der Aufschrift "Wüstenfuchs" verstößt gegen das Markenrecht. Den Begriff hatte sich nämlich bereits zuvor "Thor Steinar" gesichert. Die dafür üblicherweise anfallenden Lizenzgebühren in Höhe von fünf Prozent des Streitwerts - also hier 5,98 Euro - wollte der Anwalt Brodkorbs sofort begleichen, was im Gerichtssaal laut Aussage von "Endstation Rechts" für Erheiterung sorgte. 

"Weltkriegsverliererbesieger"- und "Retter"-Leiberl

Da die Firma MediaTex allerdings noch nicht zugestimmt hat, die Klage in der Hauptsache zurückzuziehen, wird "Storch Heinar" wohl erst nach der schriftlichen Ausfertigung des Urteils im August Gewissheit darüber haben, ob er ungeschoren davon kommt. Auch wenn die Initiatoren inzwischen deutlich gelassener auf die rechtliche Auseinandersetzung schauen, koste sie der Prozess zunächst einmal Geld. Bis heute trommelt die Initiative dafür, "die Kriegskasse zu füllen", wie es Bartels im Radiointerview ausdrückte.

Wer sich für "Storch Heinar" einsetzen möchte, kann auf der Website von "Endstation Rechts" T-Shirts mit der Aufschrift "Retter" und "Weltkriegsverliererbesieger" kaufen. Eine Idee, die wiederum auch der Verwechslungsgefahr unterliegt: T-Shirts mit der Aufschrift "Retter" und "Weltpokalsiegerbesieger" wurden 2001 vom notorisch klammen Hamburger Fußballklub FC St. Pauli aufgelegt, nachdem das Team den FC Bayern München kurz nach dessen Gewinn des Weltpokals bezwingen konnte. Von einer Klage des Kiezklubs gegen die Initiative ist bisher nichts bekannt. (Andreas Bachmann, derStandard.at, 21.7.2010)