Back Bone 20-Leiterin Manuela Synek im Gespräch mit den Jugendlichen

Foto: Valbona Culjak

Am Mädchentag wird oft und gerne gekocht

Foto: back bone 20

Es ist Freitagnachmittag, kurz nach drei Uhr. Rund zwanzig Mädchen bzw. junge Frauen im Alter von dreizehn bis zwanzig Jahren haben sich um einen großen Tisch versammelt und singen ein Geburtstagsständchen. "Geburtstagskind" ist die Jugendberaterin Tugban Uslu, seit 2008 Mitarbeiterin bei Back Bone 20, einer Jugendeinrichtung, die 1996 gegründet wurde und sich auf "aufsuchende mobile Jugendarbeit" spezialisiert hat, aber auch Journaldienste und seit mehr als fünf Jahren einmal pro Woche auch einen "Mädchentag" anbietet.

Eigenraum

"Der Mädchentag findet regelmäßig statt und wird gut besucht", erzählt die Jugendbetreuerin Uslu. Dabei habe sie sich am Anfang ihrer Tätigkeit selbst gefragt, warum es einen gesonderten Mädchen- bzw. Burschentag gibt. Doch der Mädchentag mache "schon Sinn, denn die Mädchen trauen sich mehr Themen anzusprechen, wenn die Burschen nicht da sind", berichtet Uslu. "Wenn die Jungs dabei sind, laufen die Gespräche anders und manche Mädchen neigen dann dazu die Burschen zu umsorgen", erklärt die Jugendberaterin.

Die Mehrheit der Jugendlichen, die zu Back Bone 20 kommen, hat einen türkischen Migrationshintergrund, einige stammen aus den Ländern des ehemaligen Jugoslawiens. Die Betreuerin Uslu, die selbst türkische Wurzeln hat, war anfangs überrascht über den hohen Grad der Umsorgtheit, mit dem die türkischstämmigen Mädchen die Jungs umpflegten. Sie kennt das nicht aus ihrer Familie, dass "Jungs sich nicht einmal selbst das Essen holen und solche Verhaltensweisen von den Müttern aufrechterhalten werden." Mittlerweile haben selbst die resistenteren Burschen gelernt, den eigenen Teller wegzuräumen.

Die Burschen treffen sich freitagnachmittags im "Container" auf der Donaupromenade mit ihren Beratern. Es gibt aber auch gemeinsame Aktivitäten wie Feste oder Ausflüge, an den restlichen Tagen der Woche wird nicht nach Geschlechtern getrennt beraten.

Verbotene Zone

Der Mädchentag ist daher für die geschlechtersensible Arbeit und das Aufbrechen von traditionellen Geschlechterrollen wichtig. Vesna*, fünfzehn Jahre alt, kommt immer zum Mädchentag, auch wenn sie gar nicht in Brigittenau wohnt. Für sie ist der wöchentliche Mädchentreff unentbehrlich, weil "wir persönliche Sachen besprechen können und viel Spaß haben. Ohne Jungs kann man einfach besser reden", betont sie.

Allerdings müssen sich einige Mädchen Ausreden einfallen lassen, wenn sie zu Back Bone 20 kommen, denn manche Eltern wollen nicht, dass ihre Töchter eine Jugendeinrichtung besuchen. Vesna macht das an den Klischees fest, die es über Jugendzentren gibt, weil die Eltern denken, dass nur Jungs dorthin gehen würden, "aber es gibt ja Betreuer hier und es passiert nichts." Jugendberaterin Uslu erzählt, dass "auch österreichische Mädchen heimlich zu uns kommen." Sie erklärt sich die Ablehnung mancher Eltern damit, "dass sie nicht wissen, wie es da abläuft, alles was einem fremd ist, davor wollen die Eltern ihre Kinder beschützen."

Zweites Wohnzimmer

Die Mädchentage haben kein fixes Programm. So spielen die Mädchen beispielsweise auch mal Activity oder kochen gemeinsam: "Am liebsten mache ich Palatschinken und "Melemen" (türkisches Rührei-Gericht) erzählt Hasibe. Emira bereitet oft Tiramisu vor. Ausflüge ins Museum, ins Kino oder in die freie Natur stehen ebenfalls am Programm. Manchmal drehen die Mädchen auch gemeinsam Videos oder singen bzw. rappen im hauseigenen Aufnahmeraum.

Auch zum Lernen können die Mädchen kommen, wobei sie sich am Lerntag, der immer dienstags stattfindet, gegenseitig Nachhilfe geben, je nachdem wer in welchem Fach besser ist. Viele der Mädchen sind nicht zum Nachmittagsunterricht in der Schule angemeldet, dürfen nach Unterrichtsschluss nicht im Schulgebäude bleiben und haben zuhause weder Platz noch Ruhe zum Lernen, da sie ein (kleines) Zimmer mit den (vielen) Geschwistern teilen müssen.

Krisen durchstehen

Besonders gut finden die Mädchen, dass die Betreuer sie "voll verstehen" und sie "alles mit ihnen besprechen können." Dabei geben sie sich auch gegenseitig Ratschläge, manchmal auch den Jungs, wenn diese Rat bei Beziehungsproblemen benötigen. Probleme durchleben die Jugendlichen viele: mit den (allzu strengen) Eltern, dem Freund/der Freundin, der Schule, der Arbeit bzw. der Arbeitssuche.

An den Mädchentagen wird viel gelacht, aber auch miteinander geweint. Gespräche über Familienkrisen und Gewalt in der Familie kommen vor. Hasibe ist mitgenommen, wenn die 17-jährige Vesna von der schlagenden Mutter erzählt, so als seien Schläge normal, wenn man miteinander streitet. Oder wenn Emira vom Kampf mit dem streng muslimischen Vater aus Albanien berichtet, der ihre Brüder so erzieht, dass diese keinen Respekt vor Frauen haben und die Schwester als "Schlampe" beschimpfen. Hasibe erzählt, dass sie solche Probleme aus ihrer Familie nicht kennt. Derzeit beschäftigt sie eigentlich nur die Frage, ob sie mit ihrem Ex-Freund wieder zusammenkommt.

Schwerwiegendere Probleme hat hingegen die 14-jährige Gordana, die seit einiger Zeit, aufgrund familiärer Probleme, "freiwillig" in einem Krisenzentrum wohnt. "Da ist es ur streng. Du darfst nicht rauchen, kein Handy haben, dich nicht schminken und musst um halb acht im Bett sein", erzählt Gordana genervt über das Leben im Krisenzentrum. "Stecknadeln sind auch verboten, damit man sich nicht ritzen kann", fährt sie fort. Und ein Berater habe sie "gezwungen" Bewerbungen abzuschicken, was Gordana gar nicht mag, weil sie von mehr als 25 Bewerbungen nur zwei Antworten, beides Absagen, bekommen hat. Auch Hasibe ist nicht gut auf Bewerbungen zu sprechen, "weil ich nicht Bewerbungen schreiben kann", gibt sie lachend zu. (Güler Alkan, 28. Juli. 2010, daStandard.at)