Grafik: GNOME

Die GNOME-Konferenz GUADEC ist nicht nur der Rahmen um Schritt für Schritt die kommenden Releases zu planen, sie wird von den EntwicklerInnen auch gerne dazu genutzt, etwa verwegenere Vorschläge zu machen oder gleich eine grundlegende Neuorientierung anzuregen. Die dieses Jahr in Den Haag abgehaltene Veranstaltung hatte in dieser Hinsicht bereits einiges zu bieten, vor allem die verstärkte Nutzung von Web-Technologien tauchte dabei immer wieder auf, sei es in der Keynote von Mozilla-Anwalt Luis Villa oder einem eher technisch gehaltenen Plädoyer von Red-Hat-Entwickler John Palmieri, der mit anderen Mitteln aber größtenteils in die selber Kerbe schlug.

User Experience

Aus einem gänzlich anderen Blickpunkt betrachtet der ebenfalls von Red Hat beschäftigte William Jon McCann die aktuelle Situaton: Als eine der treibenden Kräfte hinter der konzeptionellen Neuausrichtung der User Experience für GNOME3 - und im speziellen der Entwürfe für die GNOME Shell - fordert er in seinem unmissverständlich "Shell Yes!" betitelten Vortrag zunächst einmal vor allem mehr Einheit im Linux-Desktop-Land. Anstatt mit freier Software die Rechner der breiten Masse zu erobern - wie man sich gern als Ziel vorgibt - habe man vor allem eines geschafft: Eine "Teile-und-Herrsche"-Strategie auf sich selbst anzuwenden - mit den zu erwartenden Resultaten.

Kooperation

Insofern betont McCann wie wichtig es sei die bestehenden Animositäten zwischen den einzelnen Distributionen, und die vorherrschende Praxis, dass jeder einen irgendwie angepassten GNOME ausliefert, hinter sich zu lassen und an einer wirklich gemeinsamen Oberfläche zu arbeiten. Dafür sei es aber nicht nur wichtig, dass man kooperiere, sondern auch, dass man den Desktop und die Marke GNOME stärker in den Vordergrund stelle. Von ChromeOS, Android und Co. können man lernen, dass Linux eigentlich nur ein - zwar wichtiges aber doch - Implementationsdetail sei. Worauf es wirklich ankommt, seien die Interfaces mit denen durchschnittliche NutzerInnen konfrontiert sind, zeigt sich McCann überzeugt.

Vorschlag

Eine Einschätzung aus der er einen konkreten Vorschlag für das Projekt ableitet: Über die nächsten Releases solle man den Fokus auf die Schaffung eines gemeinsamen GNOME OS legen. Ein roher Zeitplan würde dann in etwa so ausschauen: Mit GNOME 3.0 liefert man die anvisierte Core User Experience ab, der dann mit der Version 3.4 die App Developer UX folge. Zur Veröffentlichung von GNOME 3.8 könnte man dann damit beginnen ein eigenes Anwendungs-Ökosystem - ähnlich bestehender Distributionen, aber eben gemeinsam - zu etablieren. Mit GNOME 4.0 wäre dann das GNOME OS erreicht.

Disclaimer

Damit kein falscher Eindruck entsteht, sei am Schluss noch mal explizit darauf hingewiesen, dass es sich hierbei lediglich um einen Vorschlag handelt, eine "potentielle Zukunft", wie es McCann selbst bezeichnet. Zumindest aber einen, der das Potential hat für umfangreiche Diskussionen in der Community zu sorgen. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 29.07.10)