Zwischen den Vorträgen wurde in der Aula der Haagse Hoogeschool auch eifrig diskutiert und entwickelt.

Foto: Andreas Proschofsky

Mit der Verkündigung des nächstjährigen Austragungsorts neigte sich die im niederländischen Den Haag abgehaltene GNOME-Konferenz GUADEC am Freitag langsam ihrem Ende zu. Berlin soll es sein, dass im Augaus 2011 - einen konkreten Termin hat man derzeit noch nicht - den "Desktop Summit" veranstalten darf, und damit das Rennen unter den verschiedenen Bewerberorten gemacht hat. So viel ist dabei jetzt schon sicher: Der Event wird wieder ein ganzes Eck größer sein als heuer, führt man doch - wie schon 2008 - wieder die Konferenzen von GNOME und KDE an einem Ort zusammen. Rund 1.000 EntwicklerInnen aus 50 unterschiedlichen Ländern werden also erwartet, heißt es von Seiten der beiden Desktop-Projekte.

Zusammengefasst, komplex

Etwas diffiziler als die Aufzählung solch simpler Fakten ist da schon der Versuch ein Fazit der diesjährigen Veranstaltung zu ziehen. Im Vordergrund standen natürlich wie gewohnt all die Vorträge rund um neue Technologien im GNOME-Umfeld, wenig überraschend mit einem starken Fokus auf GNOME 3.0, immerhin steht die kommende Generation der Software ja vor der Tür - wenn auch seit kurzem wieder etwas weiter weg als eigentlich ursprünglich geplant.

Zukunft

Zumindest scheinen sich mittlerweile praktisch alle einig zu sein, dass die GNOME Shell der langfristige Weg voran in Sachen User Experience ist, eine Erkenntnis die sich erfreulicherweise durch so ziemlich alle Unternehmen zieht - lediglich über den zeitlichen Ablauf und den aktuellen Zustand der Software ist man sich nicht ganz einig. Trotzdem: Im Vorjahr waren auf den Gängen der Konferenzhallen am damaligen Austragungsort Gran Canaria noch deutlich lautere Zweifel an den dahinter liegenden Konzepten zu vernehmen. Dass es bis zu einem breiten Einsatz der GNOME Shell in den diversen Distributionen noch einiges an Überzeugungsarbeit zu leisten gibt, verdeutlicht ein anderes Faktum: Selbst von den anwesenden EntwicklerInnen nutzt derzeit nur ein Bruchteil die neue User Experience.

Konflikte

Auch wenn sich dazu niemand wirklich öffentlich äußern will, zog sich allerdings noch ein weiteres Thema wie ein roter Faden durch die Konferenz: Die Animositäten zwischen Ubuntu und den meisten anderen aktiven Projekten sind kaum zu übersehen, und waren in den privaten Gesprächen ein durchaus beherrschendes Thema der GUADEC 2010. Kritisiert wird dabei vor allem die Attitüde von Ubuntu-Hersteller Canonical, dem einige vorwerfen, zwar massiv von der Arbeit anderer im GNOME-Projekt zu profitieren, selbst aber kaum etwas zurückzugeben - und dann auch noch die Lorbeeren für von Red Hat und Co. vorgenommenen Verbesserungen einzufahren.

Flamewar

Was am Anfang der Konferenz noch mehr so ein unterschwelliges Grund-Grummeln war, sollte dann gegen Ende hin doch noch in einen veritablen öffentlichen Flamewar eskalieren. Auslöser dafür: Die Veröffentlichung der Ergebnisse des "GNOME Census", der unter anderem den Umfang der Beiträge von verschiedenen Unternehmen zum Desktop-Projekt auflistet. Das Ergebnis - Red Hat klar an der Spitze, Canonical gerade noch in den Top-15 - hatte zur Folge dass einige ihren Frust über Blog-Einträge und recht unmissverständliche Twitter-Nachrichten Luft machten.

Verbunden

Freilich darf trotzdem nicht vergessen werden, dass kaum wer wirklich Interesse daran haben kann (und hat), hier eine Spaltung voranzutreiben, ist man von einander doch all zu stark abhängig. Während Ubuntu die Code-Beiträge dringend braucht, profitiert das GNOME-Projekt vom Feedback der breiten Masse an Ubuntu-NutzerInnen. Dass es Verbesserungsbedarf bei der Zusammenarbeit gibt, ist auf Nachfrage auch bei so ziemlich allen Beteiligten unbestritten. Während sich Ubuntu etwas mehr Offenheit gegenüber externen Projekten wünscht, hofft das GNOME-Projekt selbst auf ein stärkeres Einbringen von Canonical in Upstream-Entwicklungen und -Prozesse. Eine Situation, die also gar nicht so verfahren ist, wie es zunächst den Anschein machen könnte, mit ein bisschen gutem Willen ließe sich hier eine für alle bessere Zukunft anvisieren. Von einem gemeinsamen GNOME OS mit einheitlichem Auftreten, wie in einem Vortrag von Red-Hat-Entwickler William Jon McCann als langfristige Perspektive vorgeschlagen, ist man nichtsdestotrotz noch recht weit entfernt. (Andreas Proschofsky, derStandard.at, 30.07.10)