Hausfremde Personen wie der Postzusteller müssen wegen der neuen Durchlade-Briefkästen das Haus nicht mehr betreten. Die Türglocke ist frei von Namen.

Foto: derStandard.at/vet

Im Erdgeschoss wird nicht gewohnt, das Garagentor schließt unmittelbar nachdem ein Auto hinein- oder hinausgefahren ist.

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Man kann wohl nicht alles haben: Lärmschutz genießen die Mieter in der Zwölfergasse vorerst keinen, vor ihrer Nase wird Österreichs erste Bahnhof City gebaut. Es ist die zweitgrößte Baustelle der ÖBB nach dem neuen Hauptbahnhof.

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"Ich fühle mich hier sicher. Und ich finde es gut, wenn im Finstern beim Eingang immer das Licht angeht", sagt Herta. Die klein gewachsene Frau, die ihre roten Haare offen trägt, verweist sogleich auf die Türglocken: "Und gut, dass da keine Namen oben stehen."

Die 50-Jährige ist seit April Mieterin in der Zwölfergasse in Rudolfsheim-Fünfhaus (15. Bezirk), einer Wohnanlage, die mit zahlreichen Sicherheitsmaßnahmen ausgestattet ist. Es gibt keine Erdgeschoss-Wohnungen, alle Wohnungstüren sind einbruchhemmende Türen der Widerstandsklasse 3 und an Haus- und Garagenzugängen wurden selbstverriegelnde Antipanikschlösser montiert. Außerdem wurden Angsträume, wie etwa dunkle Ecken und Nischen, vermieden. Fertiggestellt wurde der Bau Ende 2009 unter dem Projekttitel "Sicheres Wohnen" vom Bauträger Gewog (Gemeinnützige Wohnungsbau GesmbH), die Stadt Wien ließ 2,1 Millionen Euro über die Wohnbauförderung einfließen.

Baulücke Zwölfergasse

Eingebrochen wurde seitdem freilich noch nicht. Für Herta ist das beruhigend, in ihrer alten Wohnung in Meidling wurde sie mehrmals Opfer von Einbrechern, "da stand aber auch die Eingangstür zum Haus meistens offen". SPÖ-Bezirksvorsteher Gerhard Zatlokal ist naturgemäß erfreut: "Der Grund in der Zwölfergasse war eine Baulücke, die relativ lange brach gelegen ist", es sei positiv, "dass hier überhaupt gebaut wurde." Und außerdem seien "Sicherheitsvorkehrungen getroffen worden, die man normalerweise nur um teures Geld im Nachhinein bekommt".

An der Idee "Sicheres Wohnen" orientieren sich auch neue Bauprojekte. In Strebersdorf enstehen 600 Wohnungen nach dem Schema, sogar Fenster und Terrassentüren sollen dann gesichert werden - etwa durch sogenannte Pilzzapfenverriegelungen, die beim Versuch des Aushebelns der Fenster massiven Widerstand leisten. In Rudolfsheim-Fünfhaus soll die Gegend rund um die Zwölfergasse aufgewertet werden: Am ehemaligen Gelände des Postareals sind 265 geförderte Wohnungen mit Eigentumsoption in Bau, dazu knapp 300 Tiefgaragenplätze und ein StudentInnenheim. Zatlokal: "Hier handelt es sich schon bald nicht mehr nur um das Hinterland des Westbahnhofs, sondern um ein attraktives Wohngebiet."

Balkontüren ohne Schloss

Zweifelsohne sind Sicherheit und Kriminalitätsbekämpfung zentrale Themen in der Wiener Politik, im Herbst wird gewählt. Roland S. tangiert das Wahlkampfgetöse nicht, bei den Schutzmaßnahmen in der Zwölfergasse handle es sich um "nette Features", er zog aber primär in den 15. Bezirk, weil eine Wohnung frei war. Die Türen gefallen ihm ganz gut, er fände es aber grundsätzlich "mühsam, dass man für alle Bereiche immer einen Schlüssel braucht, auch für den Müllraum und den Kinderspielraum". Der 32-Jährige findet es lustig, dass es trotz großer baulicher Anstrengungen Sicherheitslücken gibt: "Meine Nachbarin hat einen Balkon zum Innenhof. An alles hat man gedacht, nur nicht an ein Schloss bei der Balkontür. Das wäre sicher ein Schwachpunkt im System."

Für den Bauträger Gewog spielt neben planerischer Weitsicht und technischen Maßnahmen auch der Faktor Nachbarschaft eine wichtige Rolle. Wobei vor allem in Hinsicht auf die Zukunft des urbanen Wohnens ein reger Gedankenaustausch mit Architekten und Raumplanern stattfindet. 

Wenn der Nachbar nicht auf den Nachbarn schaut

Susanne Reppé, zuständig für Projektentwicklung und Marketing bei der Gewog, glaubt an das Bedürfnis von modernerem Projektmanagement: "Wir haben natürlich noch nicht den Plafond erreicht, was modernes Wohnen betrifft. Nicht nur sicher, sondern auch ökologisch nachhaltig Leben und das Verfolgen von Klimaschutzzielen beginnt in den eigenen vier Wänden. Da bringt die Wohnbauförderung schon viel, damit können zukunftsweisende Projekte eher realisiert werden. Die meisten privaten Wohnbaugesellschaften schauen auf die Rendite, teure Investments beim Bauen sind zweitrangig."

Das Projekt Nachbarschaftshilfe ist ebenfalls noch ausbaufähig. Dass bei allen baulichen Gimmicks, gerade im Sicherheitsbereich, die Technik allein nicht ausreichend Schutz bietet, wenn die Menschen fremde Leute ins Haus lassen, weiß auch die Gewog. Und hat zu diesem Zweck zu Beginn des Jahres einen Informationsabend unter Beisein eines Exekutivbeamten organisiert. "Das Haus-Fest war aber sehr schlecht besucht, da waren höchstens zehn Leute dort", sagt Eva, die ebenfalls in die Zwölfergasse gezogen ist, weil eine Genossenschaftswohnung frei war. "Vielleicht interessiert es niemanden." Und: "Vielleicht war es aber auch die Wohnbaugesellschaft als Veranstalter, die viele abgeschreckt hat. Privat organisiert wäre das Treffen wohl erfolgreicher gewesen." (vet, derStandard.at, 8.8.2010)