Irakische Panzer in Kuwait-Stadt. Der kuwaitische Widerstand war ehrenvoll, jedoch chancenlos. Der Emir flüchtete nach Saudi-Arabien.

Foto: Jacek Wozniak

Auch sieben Jahre nach Saddam Husseins Fall sind nicht alle Sanktionen gegen den Irak aufgehoben.

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Am Morgen des 2. August 1990 erwachte die Welt mit der Nachricht des irakischen Überfalls auf Kuwait: Spezialtruppen Saddam Husseins hatten um zwei Uhr früh Ortszeit die irakisch-kuwaitische Grenze überschritten und gleichzeitig mit Hubschrauberkommandos und vom Meer kommend die strategischen Punkte des Golfemirats besetzt. Der Widerstand der kuwaitischen Armee war kurz, Emir Al-Jaber al-Ahmed al-Jaber al-Sabah flüchtete nach Saudi-Arabien.

Saddam installierte eine Marionettenregierung - als Übergang bis zur Annexion Kuwaits als 19. irakische Provinz wenige Tage später - und bestimmte seinen Cousin Ali Hassan al-Majid (gehenkt 2010) zum Gouverneur. Dieser ging daran, den Golfstaat zu plündern und dessen nationale Identität auszulöschen. Kuwait wurde zum Schauplatz schwerer irakischer Kriegsverbrechen.

Neben dem alten irakischen Anspruch, der Kuwait als Teil der Provinz Basra sah, gab es aktuelle Kriegsgründe: einen Territorialstreit, der auch Ölfelder betraf - deshalb fiel das Wort Öldiebstahl; der niedrige Ölpreis, mitverursacht durch Kuwaits Überproduktion, der die kriegsmarode irakische Wirtschaft traf; dazu die enormen Schulden Iraks bei den Golfstaaten, auch bei Kuwait, für Saddam der Beitrag der Araber zu seinem Krieg gegen den Iran (1980-1988), den er im Namen aller gefochten haben wollte.

Allgemeine Verurteilung

Noch am Tag der Invasion trat in New York der Uno-Sicherheitsrat zusammen und rief den Irak in einer Resolution zum sofortigen Abzug auf. Die erste Kapitel-VII-Resolution der UN-Charta - das heißt, auch durch Zwangsmaßnahmen durchzusetzen -, die den Irak unter Embargo stellte, folgte vier Tage später. Zwei Drittel der Staaten der arabischen Liga verurteilten die Invasion. US-Präsident George Bush erklärte die Integrität von Saudi-Arabien zum vitalen Interesse der Vereinigten Staaten, und König Fahd bat die USA um militärische Unterstützung.
Worum sich die USA jahrzehntelang vergeblich bemüht hatten, Saddam machte es möglich: die Stationierung von US-Truppen im Land der heiligen islamischen Stätten. Damals wurde ein Heimkehrer aus dem Afghanistan-Krieg zum Feind des saudischen Königshauses: Osama Bin Laden.
Dass die - vielleicht ungeschickte - US-Botschafterin in Bagdad Saddam zum Einmarsch in Kuwait ermutigte, ist eine Legende. Sicher ist jedoch: In einer gewissen Phase der Kriegsvorbereitung, ab November, wünschte sich die US-Regierung nicht mehr, dass Saddam einlenkt. Man hatte verstanden, dass der Krieg, zu dem sich eine Alliierten-Streitmacht zu sammeln begann, eine gute Gelegenheit war, den Status quo zu ändern und Saddam, der nach Kriegsende 1988 weiter aufrüstete, zu stoppen.
Der irakische Präsident hatte sich verkalkuliert: In seinem geistigen Bunker hatte er das Ende des Kalten Kriegs übersehen und die Chancen, die dieses für eine völlig neue Zusammenarbeit im Uno-Sicherheitsrat eröffnete. Solange der Ost-West-Konflikt allen Konflikten im Nahen Ostens übergestülpt war, hätte ein Krieg um Kuwait nicht stattgefunden.

Die irakische Kuwait-Invasion und der Golfkrieg 1991 ließen in der Region keinen Stein auf dem anderen. Die Stationierung von US-Truppen in Saudi-Arabien und ihre Folgen wurde schon genannt. Mit dem nach dem verlorenen Krieg kaltgestellten Saddam - in einem schwachen, aber stabilen Irak - begann die Konsolidierung des vom Erzfeind nicht befreiten, aber doch geschützten Iran. Zum Verlust des sowjetischen Protektors - was eine syrische Partizipation am Golfkrieg ermöglichte, mit der Folge einer vorsichtigen Rehabilitation Hafiz al-Assads -, kam für die Palästinenser der Ausfall von Saddam als Sponsor. Wegen Yassir Arafats offizieller Saddam-Unterstützung verloren Hunderttausende ihre Arbeit in Golfstaaten. Ihre Führung war kompromissbereit wie nie zuvor.

Beginn des Friedensprozesses

Und Israel, das im Krieg wie Saudi-Arabien mit Scuds angegriffen wurde, zahlte den Preis für die arabische Allianz gegen Saddam - der versucht hatte, eine Verbindung zwischen der Besetzung Kuwaits und des arabischen Bodens durch Israel zu konstruieren. Der unwillige Premier Yitzhak Shamir wurde von US-Präsident H. W. Bush 1991 zur Friedenskonferenz in Madrid gezwungen, mit der Streichung von US-Kreditgarantien. Seit damals gibt es einen „Friedensprozess".

Zwanzig Jahre später und sieben nach dem Fall Saddams: Iraks Verhältnis zu Kuwait ist noch immer von einer Kapitel-VII-Resolution geregelt, das heißt, die Sanktionen bestehen teilweise noch, der Irak hat noch nicht seine volle Souveränität und die Kontrolle über seine Einkünfte wiedererlangt. US-Präsident Barack Obama hat zwar Iraks Regierung seine volle Unterstützung versprochen hat, aber das Emirat schickt Lobbyisten aus, um eine Aufhebung zu verhindern.

Der Irak zahlt weiter Reparationen an Kuwait, bisher 24 Milliarden Euro, 23 fehlen noch. Aber auch fast alle anderen Fragen sind offen: zum vom Irak geraubten kuwaitischen Vermögen, den verschwundenen Staatsarchiven, den vermissten Personen. Offen ist auch die Demarkation der in den 1990er-Jahren festgelegten Grenze zwischen den Ländern: Der Irak sei besonders in diesem Bereich nicht sehr kooperativ, sagen Diplomaten. Dafür manchmal recht einfallsreich: Um kuwaitischen Ansprüchen zu entkommen, wurden etwa im Mai die Iraqi Airways kurzerhand aufgelöst. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, Printausgabe, 2.8.2010)