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Nach gutem Kampf erhält der Torero, hier José Tomás, die Ohren des Stiers. Umgekehrt ist das nicht der Fall.

Foto: REUTERS/Marcelo del Pozo

Wien - Wenn der Kampf besonders gut war und der Torero sich durch Eleganz und Mut ausgezeichnet hat, gebühren ihm ein oder zwei Ohren des Stiers, in besonders spektakulären Fällen auch der Schwanz. So verlangt es die Tradition. Diese Trophäen werden (siehe Bild) dem Publikum auch stolz präsentiert - womit nicht zuletzt der Appetit der Zuschauer geweckt werden soll.

Rabo de toro, Stierschwanzragout in Rotwein oder (in Andalusien) mit Oloroso-Sherry geschmort, und orejas, Ohren (gesotten und hernach mit Knoblauch und Petersilie a la plancha gegrillt) - das sind die traditionellen Mahlzeiten, welche nach einer ordentlichen Corrida auf dem Speiseplan stehen. Die jahrhundertealte Tradition der Stierkämpfe hat naturgemäß eine Reihe auch kulinarischer Bräuche gezeitigt.

Wobei die Ohren, die in den Bars und Restaurants rund um die plaza de toros serviert werden, wohlgemerkt vom Schwein stammen - jene vom Stier würden auch nach stundenlangem Sieden nur als Beißspielzeug für Hunde taugen. Der Schwanz hingegen stammt im besten Fall tatsächlich von einem Kampfstier, was Kenner am vergleichsweise bitteren Fleisch zu erkennen glauben, einer Spätfolge des während des Kampfes ausgeschütteten Adrenalins. Klar gelten auch solomillo, filete oder chuleta vom Kampfstier als besonders begehrte Formen des Steaks.

Dazu Sherry, eisgekühlt
Als Zufallsgast wird man aber kaum an diese Leckerbissen herankommen - sie sind meist für Stammgäste reserviert, die den besonderen Geschmack trotz der relativen Zähigkeit des abgekämpften Fleisches zu schätzen wissen. Da ist es schon einfacher, eine Portion criadillas zu ergattern, die Hoden des Stiers, welche erst gesotten, dann aufgeschnitten und schließlich paniert werden. Getrunken wird dazu eisgekühlter trockener Sherry. In den vergangenen Jahren hat sich die ursprünglich andalusische Sitte des tinto de verano, des "Sommerroten", in weiten Teilen Spaniens als "After-Corrida-Drink" eingebürgert. Der erfrischende, wenngleich einigermaßen barbarisch wirkende Drink wird zu gleichen Teilen aus eisgekühltem Rotwein und Zitronenlimo hergestellt, mit einem Schuss Wermut gewürzt, mit Limettenscheiben garniert und mit Eiswürfeln aufgefüllt.

Während der Corrida selbst darf es hingegen durchaus Härteres sein. So wie auf Wiener Fußballplätzen oft ein "Schakl" durch die Ränge geht, um kalte Knacker, warmes Bier und zache Semmeln aus einem Korb feilzubieten, gibt es auch in den Arenen Spaniens mobile Handlanger, die um das Wohl der Gäste bemüht sind. Allerdings bergen ihre Körbe kein Essen - mit Schinken oder frittiertem Kalmar gefüllte Sandwiches holt man sich vorab in den Bars. Sondern Plastikbecher, Eiswürfel, Gin und Tonic oder kubanischen Rum - und, ganz wichtig, ausreichend puros. Denn an einer dicken Zigarre zu ziehen gehört beinahe ebenso essenziell zum Stierkampf wie die Sicherheit, dass am Ende der Stier dran glaubt. (Severin Corti, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3.8.2010)