Belgrad - Serbien soll einen neuen Vorschlag zur Lösung der Kosovo-Frage vorbereitet haben, der offenbar auf eine Teilung des jüngsten Staates Europas abzielt. Laut der serbischen Tageszeitung "Press", die sich am heutigen Montag auf Quellen in der Staatsführung beruft, soll der Vorschlag unter dem Namen "Autonomie von 1 bis 100" den kosovarischen Behörden anbieten, ihre künftigen Beziehungen zu Serbien zu definieren.
Der Vorschlag Belgrads lautet dem Blatt zufolge, dass die Führung der Kosovo-Albaner den Grad ihrer Autonomie auf einer Skala von 1 bis 100 auswählen sollten. Dieselbe Autonomiestufe müsste sie jedoch in weiterer Folge der serbischen Volksgruppe im Norden des Kosovo in Bezug auf Pristina (Prishtina) zugestehen. Wie das Blatt erläuterte, würde die Autonomiestufe 1 bedeuten, dass der Kosovo ganz zu Serbien gehöre, Stufe 100 stehe für eine vollkommene Unabhängigkeit des Kosovo.
Laut dem Blatt sei die Grundidee des "Autonomievorschlages" Ende letzter Woche vom Staatschef Boris Tadic enthüllt worden. "Es ist uns bewusst, dass womöglich zwei Millionen Albaner im Kosovo nicht die Verfassungsordnung Serbiens akzeptieren wollen, andererseits muss sich die Welt der Tatsache bewusst sein, dass die Serben im Kosovo nicht die Souveränität des sogenannte Staates Kosovo akzeptieren wollen. In diesem Rahmen muss nach einer Lösung gesucht werden, die den Frieden und die Entwicklung sichert", wurde Tadic von der Tageszeitung zitiert.
Das offizielle Belgrad hat bisher wiederholt Spekulationen zurückgewiesen, wonach Serbien um eine Abspaltung des Nord-Kosovo bemüht sei. Für Pristina (Prishtina) ist jedoch nur ein Dialog mit Belgrad über technische Fragen annehmbar.
Der Internationale Gerichtshof hatte vor zehn Tagen in seinem Rechtsgutachten festgestellt, dass Pristina durch seine Unabhängigkeitserklärung im Februar 2008 nicht gegen die Normen des internationalen Rechtes verstoßen habe. Im UNO-Sicherheitsrat soll am Dienstag eine Debatte zum Kosovo stattfinden. Der serbische Außenminister Vuk Jeremic werde die IGH-Deutung scharf kritisieren, berichtete die serbische Tageszeitung "Blic" am heutigen Montag. Auch will der serbische Chefdiplomat die Sitzung des UNO-Sicherheitsrates zu einem Appell an jene Staaten nutzen, die den Kosovo noch nicht anerkannt haben, dies auch nicht vor der bevorstehenden Herbsttagung der UNO-Vollversammlung, die sich mit dem Kosovo-Thematik auseinandersetzen wird, zu tun.
Belgrad ist nach Beteuerung seiner Funktionäre um neue Statusverhandlungen bemüht, wenngleich dies im Resolutionsentwurf, welchen Serbien letzte Woche in aller Eile der UNO-Vollversammlung zustellte, nicht ausdrücklich verlangt wird. Dass diese Forderung realistisch ist, wird offenbar nicht einmal in der serbischen Hauptstadt geglaubt. Es gelte abzuwarten, ob es überhaupt Verhandlungen geben wird, meinte Vizepremier Ivica Dacic am Wochenende gegenüber der serbischen Tageszeitung "Politika". Er gab auch offen zu erkennen, dass sich die von Belgrad geforderte Kompromisslösung nur auf einige "territoriale Fragen" beziehen dürfte. Er sei der Ansicht, dass derzeit niemand eine klare Idee darüber habe, erklärte Dacic.
Der Kosovo wurde bisher von 69 Staaten - darunter die meisten EU-Länder - anerkannt. Der kosovarische Außenminister Skender Hyseni war vergangene Woche im UNO-Sitz in New York bemüht, neue Anerkennungen zu erhalten. Mit der Aufgabe, dies zu verhindern, hielt sich auch Jeremic in New York auf. (APA)