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Präsident Dmitri Medwedew (hier in einer neuen Polizeizentrale in St. Petersburg wenige Monate nach seinem Amtsantritt) konnte Russlands "schwere Krankheit" bisher nicht heilen.

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Die Höhe der Schmiergelder verdoppelte sich.

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Als "schwere Krankheit, die alle Teile der russischen Gesellschaft erfasst hat", bezeichnete Russlands Präsident Dmitri Medwedew die in Russland grassierende Korruption. Der Kampf gegen die Korruption sei eine "systemimmanente Herausforderung".

Obwohl sich Medwedew den Kampf gegen die Korruption an die Fahnen geheftet hat, verliefen seine Bemühungen bisher im Sand. Laut dem Jahresbericht der russischen Antikorruptionsorganisation "Saubere Hände" beträgt der Umfang der Schattenwirtschaft bereits 50 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Den Daten der Weltbank zufolge liegt der Anteil bei 48 Prozent der russischen Wirtschaftsleistung.

Medwedew hatte gleich zu Beginn seiner Amtszeit im Jahr 2008 ein umfangreiches Gesetzespaket verabschieden lassen. Demnach müssen Beamte und Politiker jährlich eine Aufstellung ihrer Vermögenswerte veröffentlichen. Außerdem wurde den Inspektionen von Klein- und Mittelbetrieben ein Riegel vorgeschoben. Sie dürfen nur noch unter Zustimmung der Staatsanwaltschaft durchgeführt werden.

Gerade die Beschränkung der Betriebsinspektionen dürfte sich jedoch als Bumerang erweisen. Zwar hat die Zahl der Überprüfungen von 26.000 auf 20.000 abgenommen, das Niveau der Schmiergelder ist jedoch angestiegen. 2009 betrug ein durchschnittliches Schmiergeld noch 23.000 Rubel (rund 580 Euro). Im ersten Halbjahr 2010 verdoppelte sich nach Angaben des Innenministeriums die Schmiergeld-Höhe auf 40.000 Rubel (rund 1014 Euro).

Als besonders korrupt gelten die russischen Rechtsschutzorgane, Gerichte und das Bildungswesen. Unternehmen beklagen, dass ihnen die Hälfte ihres Gewinns durch Korruption entgeht.

Als Folge der Korruption explodieren auch die Infrastrukturkosten in der Olympiastadt Sotschi. Die 48 Kilometer lange Straße vom Flughafen Adler nach Krasnaja Poljana hat 227 Milliarden Rubel (rund 5,7 Milliarden Euro) gekostet. Um dieses Geld hätte man die Fahrbahn auch 6,37 Zentimeter dick mit Austern belegen können, errechnete das russische Magazin Esquire.

Medwedew, der versprach, dass es in Sotschi keine Korruption geben werde, hat nun eine offizielle Untersuchung gegen einen Kremlbeamten angeordnet. Die Untersuchung gilt als Reaktion auf ein Interview mit dem russischen Bauunternehmer Walerij Morosow in der Sunday Times. Morosow gab an, einem Kremlbeamten fünf Millionen US-Dollar gezahlt zu haben, um den Auftrag für die Errichtung eines Luxuswohngebäudes zu erhalten.

Stalinismus oder Demokratie

Laut Jewgenij Archipow, Vorsitzender des Vereinigung der russischen Anwälte und einer der Autoren der Studie, sei das Korruptionsniveau direkt mit der Stabilität des politischen Systems verbunden. Archipow sieht nur zwei Wege aus der Korruption: entweder die Schaffung einer totalitären Diktatur wie unter Josef Stalin oder die Entwicklung einer Demokratie wie in Europa und den USA. (Verena Diethelm aus Moskau/DER STANDARD, Printausgabe, 3.8.2010)