Wien - Der frühere EU-Landwirtschaftskommissar Franz Fischler glaubt nicht, dass es zu einem EU-Beitritt der Türkei kommen wird. Es gebe "genügend Mitgliedsstaaten, die ein Referendum über den Beitritt abhalten wollen. Auch wenn es gelingt, die Beitrittsverhandlungen positiv abzuschließen, kann man davon ausgehen, dass das Referendum in einem der Länder scheitert" sagte Fischler in einem Interview mit dem "Kurier" (Dienstag-Ausgabe).

Fischler spricht sich für eine Annäherung der Türkei an Europa aus: "Ich halte es für gefährlich, wenn die Türkei Richtung Russland oder Mittlerer Osten abdriftet. Strategisch und wirtschaftlich ist die Türkei für Europa sehr wichtig".

"Sehr schwierige Situation"

Mindestens zehn EU-Staaten wollten die Bürger abstimmen lassen, so Fischler. Wenn der Beitritt der Türkei von der Bevölkerung in den EU-Ländern abgelehnt werde, wird es "eine riesige Frustration geben. Das wird eine politisch sehr schwierige Situation werden. Die EU wäre gut beraten, etwas Vernünftiges zu überlegen, wie man mit einer solchen Situation und den Folgen umgeht. Für umso wichtiger halte ich es, dass es über spezifische Programme, die der Modernisierung der Türkei dienen, eine EU-Annäherung gibt. Wenn der Beitritt nicht funktioniert, könnte die privilegierte Partnerschaft zum Zug kommen. Diese Form wird ja von der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel favorisiert." Wichtig seien gute wirtschaftliche Beziehungen.

Auf die Frage, wie er Österreichs Position vis-a-vis der Türkei sehe, sagte Fischler, man habe "sich nicht getraut, Nein zu sagen, dann kam es zur eigenartigen Formel der 'ergebnisoffenen Verhandlungen'. Verhandlungen sind immer offen. Da gibt es eine gewisse Doppelbödigkeit: Auf der einen Seite verhandelt man, auf der anderen Seite sagt man der Bevölkerung, ihr könnt ja mit Nein zum Beitritt votieren. Diese Doppelbödigkeit ist aber nicht spezifisch österreichisch." Fischler berät derzeit laut "Kurier" die türkische Regierung, wie sie EU-Gelder sinnvoll einsetzen und ihre Landwirtschaft EU-fit machen kann. (APA)