Kärntner Winnetou.

Foto: May-Festspiele

Weitensfeld - Der sagenumwobene Schatz, der derzeit heftig debattiert wird, liegt zwar nicht auf dem Grunde des Silbersees, sondern womöglich auf Liechtensteiner (oder Schweizer) Konten begraben. Und kommt, so wie auch jener im Lande der Navajos, eventuell nie, nie mehr ans Tageslicht.

Ob übrigens Kärntens ehemaliger oder auch der aktuelle Landeshäuptling KarlMays Abenteuerroman Der Schatz im Silbersee je gelesen haben, ist nicht überliefert. Ihr niederösterreichischer Amtskollege ist der Geschichte nach eigenem - augenzwinkerndem - Geständnis jedenfalls nicht vollständig auf den Grund gegangen. Das kann er nun gleich zweimal, im niederösterreichischen Gföhl und in der kleinen Gurktaler Marktgemeinde Weitensfeld, nachholen.

Es ist eine stimmungsvolle Bilderbuchlandschaft, in der Winnetou und Old Shatterhand in Weitensfeld bereits zum 16. Mal das Böse - und so manches finanzielle Fast-Debakel - besiegen. Hoch ragt der Fichtenwald in den blitzblauen Himmel. Die Decken, die man aufgrund besorgter Weitensfelder Stammbesucher mitgebracht hat, dienen nur als Sitzunterlage. Der Wilde Westen im Süden ist heiß. Sehr heiß.

Stuntreiter zeigen im Vorprogramm, was sie später auch als Indianer und Blauröcke so richtig gut können: Nicht nur am Pferd sitzen, sondern hängen, liegen, stehen, knien, rauf- und runterhopsen im Galopp. Westernhelden von vier aufwärts geben ein dankbares Publikum - und machen als Autogrammjäger nach der Vorstellung fette Beute. Im Lauf der Zeit traten hier schon Anja Kruse, Ottfried Fischer, Elmar Wepper auf.

Und: Ja, natürlich posiert hier jeder für ein Erinnerungsfoto, signiert Cowboyhüte und Indianerhosen. Wolfgang Lesky, der Schweinchenbauer aus der Fernsehwerbung, gibt heuer den bösen Cornel Brinkley, Thomas Koziol - wieder - Winnetou, Albert Fortell erstmals den netten Old Shatterhand. Seine Stimme erzählt zu Beginn aus dem Off von unvorstellbaren Gräueltaten spanischer Expeditionsteilnehmer, von dem im Staub versinkenden Kreuz Christi, von Zweifeln an der Unfehlbarkeit der Kirche und von den zwei Hälften einer Münze, die, zusammengefügt, zum berühmten Schatz im Silbersee führen würde. Winnetou Tomas Koziol führt Regie in dem von ihm frei nach Karl May geschriebenen Bühnenstück: eine, wie er hofft, "optimale Mischung aus Fantasie, Humor, wahren Begebenheiten und Themenvorlage".

Viel Sonne von rechts. Von links galoppieren Blauröcke heran, Schusswechsel, viele tote Navajos. Aufregung. Heulen. Zähneknirschen. Doch dann kommt Winnetou über den Hügel geritten. Aufrecht, stolz - und mit Auf- und Abtritt-Applaus bedacht. Den gibt es im weiten Feld der "Biffel und Bübern, äh, Büffeln und Biber" auch für Sam "Wenn ich nicht irre" Hawkins. Und den gibt es schließlich auch für Old Shatterhand. Für diese (Buben?-) Traumrolle, sagt Albert Fortell, habe er sogar ein ziemlich lukratives Filmangebot sausen lassen.

Kein Jungspund ist dieser Weitensfelder Good Guy unter den Bleichgesichtern, sondern ein mild dreinblickender Mann in den besten Jahren, leicht angegraut, mitunter ein bisschen bandscheibengeplagt, aber doch immer wieder tapfer im gestreckten Galopp unterwegs. Gewehrkugeln pfeifen durchs Gurktal, Tomahawks (und mitunter Scherze) fliegen tief, zwei "Hochlandrinder in Weiberröcken" vulgo Schotten reiten in den Wald und wieder zurück. Old Shatterhand kalmiert. Winnetou fragt:"Kannst du den Adler im Sturm das Fliegen lehren?" Pyrotechnisch beeindruckend bricht ein Brand aus, fliegt eine Hütte in die Luft, und der böse blauberockte Cornel Brinkley, durchbohrt von einem Schwert, in den Felsschacht. Ewig verschütteter See. Einstürzende Bauten. Dramatik. Pathos. Show. Die Sonne geht unter, OId Shatterhand nach Hause.

Und Winnetou spricht weise Schlussworte: "Wir Apachen glauben nicht an die Macht des Goldes." Einige (Kärntner) Politiker gehören eher nicht zum Stamm der Apachen. (Andrea Schurian, DER STANDARD/Printausgabe, 04.08.2010)