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Justiz-Staatssekretär Giacomo Caliendo (li.) auf dem Weg zum Verhör: "Absolut reines" Gewissen.

Foto: EPA/Peri

Nur wenige Tage nach dem Bruch zwischen Italiens Premier Silvio Berlusconi und Gianfranco Fini, dem Präsidenten der Abgeordnetenkammer, kommt es am heutigen Mittwoch im Parlament zur ersten Kraftprobe. Anlass dazu bietet ein Misstrauensantrag der Opposition gegen Justiz-Staatssekretär Giacomo Caliendo, den Fini trotz Protesten seiner ehemaligen Parteifreunde auf die Tagesordnung gesetzt hat.

Caliendo wird von der Staatsanwaltschaft verdächtigt, Mitglied jener Geheimloge zu sein, die wichtige Entscheidungen in Politik, Justiz und Wirtschaft zu beeinflussen versucht. Nach einem fünfstündigen Verhör beteuerte der 67-jährige Richter aus Neapel, sein Gewissen sei "absolut rein" . Er lehne daher einen Rücktritt ab.

Das Misstrauensvotum bringt Finis neue Fraktion "Zukunft und Freiheit" in eine eher missliche Lage. Zum einen fordert Fini den Rücktritt aller Politiker, die einen Ermittlungsbescheid der Staatsanwaltschaft erhalten, zum anderen will seine Fraktion die Regierung nicht schon in der ersten Abstimmung stürzen. Daher ist eher mit Stimmenthaltung zu rechnen.

Dienstag traf sich die Fraktion mit den Christdemokraten und mit Vertretern von Francesco Rutellis Kleinpartei API, die das Misstrauensvotum gegen Caliendo ebenfalls nicht mittragen wollen. Die Stimmenthaltung könnte zur Premiere für einen "dritten Pol" werden, einer Art Union der Mitte, der Demoskopen bis zu 22 Prozent der Stimmen zutrauen.

Die Regierungspartei "Volk der Freiheit" (PdL) nennt den Misstrauensantrag "inakzeptabel" . Es sei skandalös, den Rücktritt eines Staatssekretärs zu fordern, der gar nicht verurteilt sei. Berlusconi warnte die Dissidenten aus den eigenen Reihen: "Beim ersten Betriebsunfall gibt es vorgezogene Neuwahlen." Der Regierungschef rief vor der Abstimmung persönlich rund zwei Dutzend Abgeordnete kleinerer Parteien an, um ihrer Unterstützung sicher zu sein.

Kritischer dürfte die Lage nach den Parlamentsferien werden. Finis Fraktion erwartet in den kommenden Wochen einen Zuwachs von mindestens zehn weiteren Abgeordneten. Indessen haben die PdL-Aussteiger trotz Berlusconis Vereitelungsversuchen auch im Senat eine eigene Fraktion gebildet, die vom Ökonomen Mario Baldessarri geleitet wird.  (Gerhard Mumelter aus Rom/DER STANDARD, Printausgabe, 4.8.2010)