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"Eine Dummheit der Menschheit" nennt Gabriele Wallner die atomaren Bombenversuche der Fünfziger und Sechziger. Nicht zuletzt, weil noch Jahre nach den Tests radioaktive Stoffe wie Cäsium-137 und andere Spalt- und Aktivierungsprodukte auf die Erde rieselten. "Einige davon erhöhten die natürliche Strahlung deutlich", sagt die Wissenschafterin vom Institut für Anorganische Chemie der Uni Wien.

In einem FWF-Projekts nimmt sie mit Chemikern, Physikern, Hydrologen und Geologen nun ein solches Aktivierungsprodukt unter die Lupe. Allerdings eines, das mit einer Halbwertszeit von 23 Mio. Jahren in puncto Strahlung unbedenklich ist: Bis 2011 ergründet das Team das Uran-236-Inventar im Donau- und Mittelmeerraum. "Der Uran-Transport von den ursprünglichen Fallout-Regionen bis in die Meere birgt viel Wissen über das Ökosystem, etwa den Austausch von Ozeanen und Flüssen", sagt die Umwelt- und Radiochemikerin.

Weltweit existieren rund tausend Tonnen anthropogenes Uran-236. Dieses vom Menschen geschaffene, etwa im Zuge der Tschernobyl-Katastrophe freigesetzte Isotop will Wallner in Böden und Gewässern nachweisen. Uran-236 entsteht aber auch auf natürliche Weise - nur ist es viel seltener. Deshalb gab Wallner dem Projekt eine zusätzliche Dimension: "Eine neue Messmethode soll auch für das natürliche Vorkommen verlässliche Werte liefern", schildert sie.

Auf natürliche Weise entsteht Uran-236 bei der Spaltung von Uran-238 oder Uran-235. Ein Geburtshelfer ist auch die kosmische Höhenstrahlung: "Das Isotop entsteht immer dann, wenn Neutronen auf Uran- Atomkerne prallen", erklärt Wallner. Rund ein Mikrogramm Uran ist in einem Gramm Gartenerde zu finden. Nur ein geringer Bruchteil dessen - nämlich 0,000000000001 Prozent - ist natürliches Uran-236. Weltweit, so schätzt man, sind es höchstens 30 Kilo - im Verhältnis zu anthropogenem Uran eine winzige Menge.

Spuren nuklearer Tests

In einem stillgelegten Uranbergwerk westlich von Schladming zog Wallner keine einzige saubere Bodenprobe: "Überall waren die Spuren der nuklearen Tests messbar." Selbiges musste sie bei anderen Proben erfahren. Nur bei Quellwasser, das direkt im Bad Gasteiner Heilstollen genommen wurde, fanden die Forscher ausnahmslos natürliches Uran.

In die engere Auswahl für Proben nahm man die Enns und die Donau. Im Mittelmeer, dem Schwarzen Meer und dem Atlantik sind zumindest Punktmessungen geplant - sei es durch Urlaubsmitbringsel in Form eines Wasserkanisters. In den Labors wird das Uran mit Ionenaustauschern behutsam aus den Proben gefiltert. Dann kommt die Alpha-Spektrometrie zum Einsatz. Winzige Mengen von natürlichem Uran-236 lassen sich so allerdings nicht nachweisen. Deshalb beschleunigt Projektmitarbeiter Peter Steiner im VERA-Laboratorium der Fakultät für Physik einen Uran-Ionenstrahl im 35 Meter langen Teilchenbeschleuniger auf ein Prozent der Lichtgeschwindigkeit: "Die bartstoppelgroße Uranprobe wird in ihre Atome zerstäubt", erklärt der Isotopenforscher. Nach Masse sortiert, "zählen wir die Atome dann direkt ab".

Ziel des Projekts ist es, eine gut dokumentierte geografische Verteilung des Radionuklids zusammenzustellen. "Welche Wege das Isotop über die Jahre zurücklegte, wird Einsichten zur Löslichkeit, zu den Transportvorgängen und der Durchmischung der Meere bringen", glaubt Wallner. Auch die Prozesse bei Sedimentsablagerungen an Ufern könnte man so besser verstehen. Über ein eindeutiges Ausbreitungsmuster lässt sich Wallner noch keine Aussage entlocken - "wir warten gespannt auf die letzten Ozeanproben". (Daniel Pohselt/DER STANDARD, Printausgabe, 04.08.2010)